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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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Wir alle werden dir helfen. Es muss einen Weg geben. Du hast einen schrecklichen Fehler gemacht, das ist alles. Du wolltest uns nicht verlassen, nicht wahr? Du kannst wieder zurückkommen.«
    »Wir haben keine Zeit, Sapphy. Komm und hör mir zu!«
    Langsam und widerwillig trete ich näher. Ich will nicht ganz bis zum Beckenrand gehen. Ich will, dass Dad das Becken verlässt und zu mir kommt. Doch sowie ich den ersten Schritt mache, lockt mich das dunkel glitzernde Wasser an.
Ein weiterer Schritt … und dann noch einer. Es wäre so leicht, sich ins tiefe Wasser gleiten zu lassen …
    »Nein!«, ruft Dad. Für einen Moment klang er so wie früher. »Bleib zurück, Sapphy! Geh nicht weiter!«
    Ich springe zurück.
    »Bleib dort stehen und hör mir zu«, sagt er. »Meine liebe Tochter … myrgh kerenza. Es gibt Dinge, die du nicht weißt.«
    »Was für Dinge?«
    »Ich habe das Gesetz der Mer gebrochen, indem ich zu dir gekommen bin. Aber ich musste dich warnen. Wo wohnt ihr jetzt?«
    »In St. Pirans. Wir haben ein Haus unten bei Polquidden gemietet.«
    Warum erkundigt er sich, wo wir wohnen? Was spielt das für eine Rolle, verglichen mit seinem Schicksal? Er gehört nicht mehr zu uns. Ich kann ihn nicht umarmen und er kann nicht mehr zu uns kommen.
    »Liegt es in den Hügeln oder unten am Wasser?«
    »Es ist nahe am Strand.«
    »Dann war es also richtig, was ich gehört habe«, sagt Dad wie zu sich selbst.
    »Wer hat dir von uns erzählt?«
    »Alles nur Gerede«, entgegnet er ausweichend.
    »Das ist nicht wahr! Du weißt alles über uns. Aber dir war es egal, ob wir dich für tot hielten oder nicht«, sage ich verbittert.
    »Myrgh kerenza …«
    »Nenn mich nicht deine liebe Tochter! Offenbar bin ich dir so lieb, dass du siebzehn Monate lang nicht mit mir sprechen
wolltest. So lieb, dass ich dich für tot halten musste. Hast du nur die leiseste Ahnung, wie sehr wir um dich getrauert haben?«
    Der Mond beleuchtet sein Gesicht, doch seine Züge sind mir fremd. Wo sind die Geistesgegenwart und das Lachen geblieben, das man ihm früher stets ansah? Nichts als Schwermut und Kummer sind geblieben. Wassertropfen glitzern in den neuen tiefen Falten, die sich auf seiner Stirn und um den Mund herum abzeichnen. Am liebsten würde ich voller Wut auf ihn losgehen, aber das kann ich nicht.
    »Du hast allen Grund, böse auf mich zu sein, Sapphy«, sagt er schließlich. »Aber wir haben jetzt keine Zeit dazu. Es droht Gefahr. Indigo ist sehr mächtig geworden, weißt du das?«
    »Ja.«
    »Indigo stößt an seine Grenzen, und niemand weiß, was das für Folgen haben wird. Halt die Augen auf, Sapphy, und sag Conor Bescheid. Ich werde wiederkommen.«
    »Welche Gefahr meinst du? Wovon redest du?«
    »Ich wünschte, ihr würdet weiter oben wohnen, Sapphy. So nahe am Ufer seid ihr nicht sicher.«
    »Wir können nicht schon wieder umziehen, Dad. Dir habe ich es zu verdanken, dass ich bereits mein Zuhause verloren habe.«
    »Sag Conor, dass ich wiederkomme, sobald ich von irgendeiner Gefahr oder Bedrohung höre. Aber jetzt muss ich zurück, Sapphy. Die Ebbe kommt. Gott weiß, dass ich jedes Gesetz gebrochen habe, um heute Nacht zu dir zu kommen.«
    »Aber, Dad, sieh nur deine Schulter an, du blutest.«
    Er wirft einen Blick auf seine Schulter.

    »Das ist nichts. Vielleicht habe ich mir den Kratzer an irgendeinem Stein zugezogen.«
    Doch es ist nicht nur ein oberflächlicher Kratzer, sondern eine tiefe Schnittwunde, aus der das Blut läuft.
    »Komm mit mir, Dad«, flehe ich. »Ich werde dir die Wunde verbinden. Bitte! Ich verspreche dir, dass Mum nicht böse sein wird. Du kannst dich an meine Schulter lehnen. Bis zum Haus von Granny Carne ist es nicht weit. Ich bringe dich dorthin. Sie wird uns helfen. Bitte, bitte komm nach Hause.«
    »Was würdest du mit mir in der Menschenwelt tun, Sapphy? Mich als Freak in einem Wasserbehälter ausstellen, damit alle mich anglotzen können? Du hast es immer noch nicht verstanden. Ich kann meine alte Gestalt nicht wiedererlangen.«
    »Bitte, zeig dich nicht, Dad!«, sage ich, als das Wasser beginnt, sich zurückzuziehen. Ich halte mir die Augen zu. Ich will ihn nicht sehen. Will nicht sehen müssen, dass sich mein eigener Vater in einen Mer verwandelt hat.
    »Ich werde dich nicht zwingen, mich anzusehen. Aber ich bin, wie ich bin, Sapphy. Ich gehöre jetzt zu Indigo.«
    Seine Worte treffen mich wie Hammerschläge. »Du hast eine Familie, Dad. Was ist mit mir? Was ist mit Conor? Hast du vergessen, dass wir

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