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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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soll. Schnell, wir müssen rasch weiter
hinausschwimmen. Das Wasser ist zu klar heute. Sie könnten uns von den Felsen aus sehen.«
    Wir stoßen in die Tiefe. Der Meeresgrund zieht sanft vorüber und fällt dann steil ab. Weißer Sand, dunkler Tang und Gestein. Indigos übliche Tarnung, die alles Mögliche verbergen kann.
    »Ich wusste, dass du in der Nähe bist«, sage ich zu Faro.
    »Ist ja auch kein Wunder, so laut, wie ich dich gerufen habe.«
    »Ich war mir nicht sicher.«
    Conor schweigt. Ich drehe mich zu ihm, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Seine Hautfarbe sieht normal aus, doch sein Gesicht ist eine schmerzverzerrte Grimasse. »Was ist, Con? Bekommst du nicht genug Sauerstoff? «
    Faro hält ihn am Handgelenk. Es müsste ihm eigentlich gut gehen.
    »Damit hat es nicht zu tun«, sagt Faro. »Es ist der Schmerz, den das Vordringen nach Indigo verursacht. Der Übergang von der Luft nach Indigo ist für Menschen immer schmerzhaft, weißt du das nicht mehr?«
    Wie hatte ich das nur vergessen können? Diesen brennenden Schmerz in der Lunge, das Gefühl, erdrückt zu werden und keine Luft zu bekommen …
    »Tut mir leid, Conor. Ich hab nicht dran gedacht, dass es dir so wehtun würde.«
    Ich dachte nicht daran, weil der Übergang für mich völlig schmerzlos vor sich geht. Ich fühle mich wie ein Fisch im Wasser. Was bedeutet das? Ich schaue rasch an meinem Körper hinab. Verglichen mit Faros kraftvoller Schwanzflosse sehen meine Füße und Beine in der Jeans geradezu
mickrig aus. Sie gehören ohne jeden Zweifel zu einem Menschen. Was auch immer in meinem Inneren geschieht, mein Äußeres bleibt unverändert.
    Nach wenigen Minuten ist Conor in der Lage zu sprechen. »So, das Schlimmste ist überstanden«, sagt er grimmig. Ich drücke seine Hand.
    »Aber es sollte doch eigentlich mit jedem Mal besser gehen, ist es nicht so, Faro?«
    »Nicht unbedingt. Für manche wird es immer schwieriger, den Übergang zu bewältigen. Du hast zu viel Luft in dir, Conor. Zu viel Luft und zu viel Erde.«
    »Oder vielleicht hast du zu viel Mer in dir?«, gibt Conor zurück.
    »Ich bin, wie ich bin!«
    »Ich auch!«
    Zwischen Conor und Faro besteht immer diese gereizte Stimmung.
    »Wo ist Elvira?«, frage ich, weil Conor es bestimmt wissen will, aber nie fragen würde.
    »Die ist mit unserer Mutter unterwegs. Elvira lernt, wie man geschädigte Korallen heilt.«
    »Was?«
    »Elvira ist eine Heilerin … oder wird zumindest eine werden. «
    »Seit wann sind sie unterwegs?«, fragt Conor plötzlich.
    »Seite heute Morgen.«
    Conor erwidert nichts, doch ich weiß, was er denkt. Wenn Faro wusste, dass wir kommen, dann muss es Elvira auch gewusst haben. Sie hätte ihn begleiten können, doch offenbar wollte sie nicht.
    Auf dem Rücken einer sanften Strömung, ungefähr zwanzig
Meter unter der Oberfläche, entfernen wir uns immer weiter vom Ufer. Das Licht ist hell und klar. Ganze Wälder von Seetang strecken ihre Arme nach uns aus, als wollten sie uns in die Tiefe ziehen. Kleine Makrelen schlängeln sich durch das Seegras. Ihre grünen, silbernen und schwarzen Streifen schimmern im Licht des Meeres, und es sieht so aus, als würden sie miteinander Verstecken spielen. Sie wirken so frei. Sie wissen nichts von der weißen Marmorplatte des Fischhändlers am Hafen, wo ihre Brüder und Schwestern in langen Reihen zum Verkauf angeboten werden. Ich beschleunige das Tempo, weil ich nicht ihren arglosen Blicken begegnen will.
    »Wir wollen mit deinem Lehrer sprechen«, sagt Conor zu Faro.
    »Er meint Saldowr«, füge ich erklärend hinzu.
    »Das wäre schon möglich«, entgegnet Faro. »Auch wenn ihr eure eigene Zeit und nicht seine Zeit ausgewählt habt.«
    »Könnten wir jetzt gleich zu ihm schwimmen?«
    »Warum nicht?«
    Ich hatte völlig Faros ärgerliche Angewohnheit vergessen, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten. Als mir dieser Gedanke durch den Kopf geht, sieht er grinsend zu mir herüber.
    »Verschwinde aus meinen Gedanken, Faro! Die sind privat. «
    »Dann musst du eben lernen, sie für dich zu behalten.«
    »Wart’s ab.«
    Ich denke an ein Fallgitter, das ich einmal in einem Film über eine mittelalterliche Burg gesehen habe. Es war ein riesiges schwarzes Metallgitter mit scharfen Spitzen, damit niemand darüberklettern konnte. Einmal heruntergelassen,
war es unüberwindbar. So ein spitzes Gitter werde auch ich jetzt herunterlassen, um meine Gedanken zu schützen. Faro wird keine Chance haben,

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