Nixenmagier
zurückkehren, ehe der Sturm losbricht.«
»Dürfen wir nicht zuerst Faro sehen, nur für einen Moment? Wir wollen uns bei ihm bedanken«, sage ich. Es gibt so vieles, über das ich mit ihm reden möchte. Conor ist stocksauer auf Faro und Elvira, weil sie so vieles vor uns geheim gehalten haben, doch ich weiß nicht recht… Vielleicht hatten sie keine Wahl. Das Leben der Mer ist so vollkommen anders als unseres. Immer noch gibt es so viele Dinge, die ich nicht verstehe.
»Bitte, lassen Sie uns zu Faro«, bettele ich.
Doch Conor sagt: »Ach, lass doch, Saph. Ich will ihn sowieso nicht sehen.«
Saldowr gibt seine Zustimmung ohnehin nicht, und ich wage nicht, ein weiteres Mal zu fragen. Unwillig folge ich Conor und Saldowr nach oben, durch das dichte Blattwerk der wogenden Meeresbäume hindurch, bis wir die Wälder von Aleph verlassen haben.
Saldowr hält an. »Bleibt dicht beieinander und hinter mir«, sagt er. Saldowr ist so viel mächtiger als Faro oder Elvira, dass Conor es nicht nötig hat, sich an seinem Handgelenk festzuhalten. In seiner Nähe zu bleiben, reicht aus. »Bleibt hinter mir, wir kommen jetzt ins Revier der Haie.«
Mir ist übel vor Angst. Wäre Saldowr nicht bei uns, würde ich auf der Stelle kehrtmachen und in die Wälder zurückkehren. Doch wir schwimmen stetig weiter.
Plötzlich tauchen sie vor uns auf. Ihre massigen, grauweißen
Körper verleihen dem Meer selbst eine tote, graue Farbe. Sie sind so breit wie Hubschrauber und so lang wie U-Boote, mit zurückspringendem Unterkiefer und kleinen Augen. Erbarmungslosen Augen. Alles, was ich je über Haie gehört habe, schießt mir durch den Kopf. Wie gefährdet sind wir, wenn nicht einmal die Mer vor ihnen sicher sind?
»Ich glaube, es sind Weiße Haie«, murmelt Conor.
Dann stimmen also die Gerüchte, die wir in den letzten Jahren gehört haben. Weiße Haie dringen mit den warmen Strömungen immer weiter gen Norden vor. Als die Haie sich in unsere Richtung drehen, breitet Saldowr die Arme aus, um sie zu begrüßen. Sein Umhang bauscht sich schützend um uns.
»Kommt, meine Freunde!«, ruft er. Zwei Haie verlassen die Patrouille und tauchen zu uns hinab. Trotz Saldowrs Gegenwart ist es die schwierigste Aufgabe meines Lebens, jetzt ruhig zu bleiben und nicht zurückzuschrecken. Ich spüre die Angst in meinem Mund, sie schmeckt nach Metall. Die Haie dürfen sie nicht riechen. Vielleicht sind sie wie gefährliche Hunde, die stets spüren, wenn man Angst vor ihnen hat. Conor legt seinen Arm um meine Schultern und hält mich fest.
»Ist schon okay, Saph«, flüstert er. »Saldowr wird nicht zulassen, dass sie uns etwas tun.«
Die Haie öffnen ihre Kiefer, als sie vor Saldowr zum Stehen kommen. Ihre offenen Mäuler offenbaren mehrere Reihen von Zähnen, jeder einzelne so lang wie meine Hand. Ob Haie je zum Zahnarzt gehen? Ich muss mich zusammenreißen, um nicht hysterisch loszukichern.
Diese Zähne würden einen wie eine Kettensäge auseinanderreißen.
Der Wal war Ehrfurcht gebietend, doch die Haie sind grauenerregend. Kein Signal der Verbundenheit geht von ihnen aus. Sie sind Fremde.
»Ich bin mit eurer Arbeit sehr zufrieden«, lobt Saldowr. »Jetzt hört mir gut zu. Ich bin mit zwei Freunden des Gezeitenknotens gekommen. Macht euch mit ihnen vertraut, damit sie passieren können.«
Er schiebt uns nach vorne und umhüllt uns mit den Falten seines Umhangs, sodass wir geschützt, aber nicht verdeckt sind. Die Haie schwingen ihre großen Köpfe hin und her. Ich balle die Fäuste und bohre die Fingernägel in meine Handflächen.
Conors Griff um meine Schultern verstärkt sich. »Bleib ganz ruhig, Saph«, flüstert er. »Es wird alles gut gehen.«
»Sie nehmen euren Geruch auf«, sagt Saldowr leise. Ein Haiauge fixiert mich, während der Kopf hin und her schwingt. Der Blick ist dumpf, kalt und aufmerksam. Für den Hai bin ich keine Person. Er will nicht mit mir kommunizieren.
»Lernt sie gründlich kennen. Macht euch mit ihnen vertraut«, wiederholt Saldowr. »Sie sind Freunde des Gezeitenknotens. Teilt die Erinnerung an ihren Geruch mit euren Gefährten.«
»Schwimmt näher an sie heran«, drängt er uns. »Wir müssen ganz sicher sein, dass sie euren Geruch aufnehmen.«
Würde ich jetzt meine Hand ausstrecken, könnte ich die Flanke des Hais berühren. Sie ist so rau, dass meine Haut bei der Berührung in Fetzen gehen würde. Die Kraft, die von dem Hai ausgeht, pulsiert wie eine Maschine. Ich versuche, ihm meine Gedanken zu übermitteln,
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