nmp06
jemand angerufen hat. Heute nachmittag. Er will’s im Laufe des Abends nochmal versuchen.“
„Jemand? Wer?“
„Hat seinen Namen nicht genannt. Klang aber seriös.“
„Mann oder Frau?“
„Mann.“
„Gut, gehen wir“, schlug ich vor. „Wenn mich jetzt ein Klient nach Marseille schickt, arbeite ich auch für Gotteslohn.“
Wir gingen also ins Büro und warteten, plauderten und tranken was Erfrischendes. Für solche Gelegenheiten findet sich irgendwo in meinem Büro immer das Passende. Whisky Soda und Eiswürfel. So vergingen die Stunden wie im Flug. Durch das offene Fenster wehte ein warmer Wind ins Zimmer. Auf der Rue des Petits-Champs herrschte wie immer eine nächtliche Provinzruhe, die nur selten von einem Auto gestört wurde. Ich sah auf die Uhr.
„Halb zwölf“, stellte ich fest. „Wir können uns in die Falle hauen. Ihr Anrufer hat nur geblufft. Macht nichts. Der Abend mit Ihnen war sehr nett...“
Das Telefon unterbrach mich.
„Hier Nestor Burma“, meldete ich mich.
„Wer?“
Der fand das wohl komisch!
„Nestor Burma“, wiederholte ich. „So heiß ich.“
„Gutenberg 94-47?“
„Verwählt“, sagte ich.
Ein Fäkal-Fluch dröhnte an mein Ohr. Ich legte langsam auf, so als täte es mir leid. Ich sah Hélène an.
„Verwählt“, lachte ich. „Von wegen!“
Ich ging zu dem Stuhl, an dem meine Jacke hing, und holte meine Kanone raus.
„Was haben Sie vor?“ erkundigte sich Hélène.
„Mich für alle Eventualitäten rüsten. Der Kerl wollte bestimmt nur wissen, ob ich hier bin oder nicht. Gehen Sie, mein Schatz. Ich warte lieber im Dunkeln. Fenster geschlossen, Vorhänge zugezogen.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ich bleibe“, entschied sie.
„Wie Sie wollen.“
Ich schloß das Fenster und knipste das Licht aus. Die Glut von Hélènes Gitane war der einzige Lichtblick.
„Nicht gerade kalt hier“, stöhnte meine Sekretärin.
„Dann ziehn Sie sich doch aus“, schlug ich vor.
„Reden Sie keinen Unsinn.“
* * *
Die Haustür wurde heftig zugeschlagen. Beinahe sofort klingelte es bei mir. Unten auf der Rue des Petits-Champs hörte ich Gerenne.
„Rühren Sie sich nicht von der Stelle, Hélène“, flüsterte ich.
Die Knarre in der Hand, stand ich auf und horchte. Irgendwo im Haus öffnete jemand ein Fenster; fluchte wie ein Kutscher und schloß es wieder. Ich schlich mich ins Wartezimmer. Lärm im Treppenhaus. Flüche. Heute nacht wurde kräftig geflucht. Diesmal war’s mein direkter Nachbar. Er ging wieder in seine Wohnung, ich wieder zu Hélène.
„Und?“ fragte sie.
„Jemand hat unten auf alle Klingeln gedrückt und das ganze Haus wachgemacht. Die Blagen sind um diese Zeit schon im Bett. Also hat sich ein Erwachsener einen Spaß erlaubt.“
„Und was soll das?“
„Frag ich mich auch.“
„Was nun?“
„Weiter warten.“
Wir warteten eine Viertelstunde, dann machte ich wieder Licht.
„Wir können verschwinden, Hélène. Die Vorstellung ist zu Ende. Weiß der Teufel, was das soll.“
Ich zog meine Jacke an, steckte die Waffe ein. Hélène öffnete die Tür zum Flur und stieß einen gedämpften Schrei aus.
„Auf der Matte liegt ein Paket“, flüsterte sie.
Ich beugte mich über das Paket, berührte es aber nicht.
„Kein Ticken“, stellte ich fest. „Also keine Bombe.“
„Was kann das sein?“
„Werden wir ja sehn.“
Ich trug das Paket ins Büro und legte es auf den Schreibtisch, um es auszuwickeln. Zeitungspapier. Die letzten Ausgaben vom Parisien und France-Soir. Dann der Karton. Ich öffnete ihn.
Wir sahen ein wahres Feuerwerk im Licht der Deckenlampe. Das jämmerliche Licht der elektrischen Birne! Es wurde in den Schatten gestellt. An die Wand gedrückt vom Gefunkel der tausend Sterne vor uns. Kaum auszuhalten! Bunte Flammen tanzten vor meinen Augen. Das Zimmer schwankte und schlingerte, ein lächerliches Bötchen im Orkan. Nestor Burma als neuer Edmond Dantès, als Captain Carlsen!
„Großer Gott!“ keuchte ich. „Und ich sag: keine Bombe! Großer Gott! Hélène! Phantastisch!“
Schweißgebadet vor Aufregung, mit trockener Kehle, torkelte ich zum Telefon. Ich wählte erst eine falsche Nummer, dann die richtige. Es klingelte und klingelte. Nach einer Ewigkeit wurde abgehoben.
„Hallo“, brummte mein Gesprächspartner.
„Monsieur Grandier? Hier Burma. Springen Sie aus dem Bett und kommen Sie sofort in mein Büro! Nicht alleine. Bringen Sie Geld mit... und den Experten Ihrer Gesellschaft, falls Sie sich mit
Weitere Kostenlose Bücher