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Titel: nmp06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Laut. Das Treppenhaus war leer. Kein Zweifel: der Neue, dem ich beinahe begegnet wär, war zu Lebailly gegangen. Ich wollte wissen, wer das war. Konnte nicht schaden. Ich lehnte mich über das Geländer. Leise quietschte die Tür in den Angeln. Dann wurde sie zugeschlagen. Ein Mann ging die Treppe runter, anscheinend auf Nimmerwiedersehn. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber seine Haltung war unverändert. Immer noch in Trauer, wie ein Witwer...
    Ich ließ ihm genügend Vorsprung und rannte dann hinter ihm her. Die Tür der verhängnisvollen Wohnung ließ jetzt nicht mehr viel Licht rein. Das Namensschild war verschwunden.
    Im Treppenhaus begegnete ich keiner Menschenseele. Auf der Straße sah ich die traurige Gestalt meines seltsamen Witwers. Er ging in Richtung Carrefour de l’Odéon. Vor zwei Tagen hatte ich den gefeuerten Portier beschattet. Heute folgte ich mühelos seinem mysteriösen Besucher. Er ging um Dantons Statue herum, überquerte den Boulevard Saint-Germain und bog dann in die Rue Danton ein. Ein Ordnungshüter außer Dienst kam ihm entgegen. Ob er den wohl ansprechen würde? Nichts dergleichen. Offensichtlich hatte er keinerlei Absicht, auf eine Polizeiwache zu gehen. Jetzt erreichte er die Place Saint-Michel, ging auf die Brücke. Mit einer schnellen Bewegung warf er ein Papierknäuel in die Seine, ging weiter.
    Ich blieb wie angewurzelt stehen. Die traurige Gestalt war in den Quai des Orfèvres eingebogen. Nach einer fälligen Schrecksekunde nahm ich die Verfolgung wieder auf, legte einen Schritt zu, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Ich sah gerade noch, wie er unter dem Torbogen der Nummer 36 verschwand.
    Langsam kehrte ich um, wie ein Schlafwandler. Auf der Seinebrücke lehnte ich mich über die Brüstung und betrachtete pfeiferauchend das Wasser. Er wandte sich lieber gleich an den Lieben Gott! Das einfache Revier des Viertels war gut genug für das Alltägliche. Er dagegen wollte seinen Fund gleich der Tour Pointue melden. Gleich würde ein Wagen, vollgestopft mit Flics in Uniform, aus dem unfreundlichen Gebäudekomplex kommen und mit viel Getöse zur Rue des Quatre-Vents rasen und... Von wegen? Zur Rue des Quatre-Vents? Denkste! Schon im Dezember fällt es mir schwer, an den Weihnachtsmann zu glauben. Aber im Juni...
    ...Die Seine führte trübes Wasser...
    „Wollen Sie einschlafen oder springen?“ dröhnte eine rauhe Stimme mir ins Ohr.
    Ich schüttelte mich und richtete meinen Schlafzimmerblick auf einen Flic. Es dämmerte. Auch bei mir. Ich stand schon eine Ewigkeit hier.
    „Ich glaub, so ist es“, sagte ich.
    Ich lächelte ihn an, so blöde wie möglich. Unglücklich.
    „Was?“
    „Weiß ich noch nicht... Ein Glück, daß meine Pfeife nicht in die Brühe gefallen ist, hm?“
    Ich steckte sie ein.
    „Bleiben Sie nicht hier stehn“, riet mir der Flic gutmütig. „Die Hitze tut Ihnen nicht gut.“
    Ich schlenderte zum Quai des Grands-Augustins. Fühlte mich zerschlagen, dreckig wie ein Schwein, im Mund noch ranzigen Schweißgeschmack. Am Café de l’Écluse starrte ich den Taucheranzug an, der im Schaukasten von Léo Noëls Cabaret Wache stand. Nicht nur so einen Taucheranzug hätte ich gebraucht, um in dieser widerlichen Brühe weiter rumzupatschen. Eine eiserne Rüstung wäre auch nicht schlecht gewesen. Das Abenteuer nahm seltsame Wendungen. Ich lief Gefahr, meine Knochen dabei hinzuhalten. Die Knochen eines Durchschnittsbürgers mit wechselhaftem Einkommen ohne garantiertes Existenzminimum. Sicher, was ich so langsam durchschaute, gab der Mahlzeit die richtige Würze. Aber zu stark gewürzt verdirbt den Geschmack. Sachte, Nestor!

7 .

Bombensplitter

    Ich ging nach Hause.
    Im Laufe des Abends rief mich Jérôme Grandier an:
    „Was Neues?“
    „Hab den Zeugen nicht gesehen“, berichtete ich. „Bei dem schönen Wetter... Kein Wunder, daß er nicht in seiner Bude war.“
    „Natürlich.“
    Monsieur Grandier war Optimist. Daran konnte diese Verzögerung nichts ändern.
    „Morgen haben Sie bestimmt mehr Glück“, tröstete er mich mit rührender Überzeugung.
    Ein Optimist, wie ich schon sagte.
    Benommen ging ich zu Bett.

    * * *

    Am nächsten Tag berichteten die Zeitungen von dem Mord an Bernard Lebailly. Wenn der Tote nicht bei Lucienne Sureau gewohnt hätte, wär er vielleicht noch gar nicht entdeckt worden. Als die Frau nämlich spätabends von der Arbeit nach Hause gekommen war, war sie über die Leiche ihres Freundes gestolpert und... usw. usw.

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