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Titel: nmp06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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ein Fluch liegt. Vielleicht ist er im Keller nicht mehr wirksam... Ja, eine seltsame Straße. Aber an diesem Freitag, dem 24. Juni, war nicht nur die Rue de Rennes seltsam...

    * * *

    Ich bog in die Rue Notre-Dame-des-Champs ein und gelangte durch die Rue de Fleurus zur Rue Guynemer, ganz in die Nähe von Germain Saint-Germain. Im Jardin du Luxembourg herrschte ein lärmendes, fröhliches Treiben.
    Ich wußte nicht mehr genau, in welcher Etage der Bestsellerautor wohnte. Aber mir gelang es, die Concierge aus ihrer Loge zu locken. Sie war keine von denen, die ihr Leben hinter der Gardine verbringen und jedem hinterherspionieren. Sie gab mir bereitwillig Auskunft. Oben öffnete mir ein Hausangestellter die Tür. Ich hatte ihn schon in der besagten Nacht flüchtig zu Gesicht bekommen. Diskret, reserviert, unauffällig, das Gesicht glattrasiert, der Gesichtsausdruck unmißverständlich: der Blick von jemandem, der in seinem Beruf so einiges zu sehen bekommt. Nichtssagend und doch vielsagend. Ein waschechter Butler eben. Sie sind alle gleich. Weil sie so oft Nachttöpfe leeren, hat sich ihr Blick dem Inhalt angepaßt.
    „Ist Monsieur Saint-Germain zu sprechen?“ fragte ich. „Mein Name ist Nestor Burma.“
    Er wolle nachsehen, ich solle warten. Kurz darauf kam er zurück und bat mich, ihm zu folgen.
    Der Schriftsteller empfing mich in dem Allzweckzimmer: Filmvorführungen, Saufereien, Tanzen, heftige Wortgefechte. Trotz der fortgeschrittenen Tageszeit war er noch im Pyjama, die bloßen Füße in orientalisch angehauchten Pantoffeln. Sah mehr nach Bergougnoux aus als nach Saint-Germain. Seine weißen Haare lagen nicht in der gewohnten Weise. Unrasiert, Tränensäcke unter den geröteten, wässrigen Augen. Ganz und gar nicht mehr wie aus einem Modejournal entsprungen. Dazu die tausend Fältchen in seinem Gesicht... ein eigenartiges versenktes Relief. Kurz gesagt, der Mann, der angeblich nie trank, hatte kräftig gesoffen. Oder ich hab keine Ahnung von diesen Dingen.
    „Entschuldigen Sie“, sagte ich. „Ich störe Sie vielleicht gerade bei der Arbeit...“
    Auf dem Schreibtisch stand eine Schreibmaschine. Der Boden rundherum war mit zerknülltem Papier übersät. Ich mußte an die Alarmanlage von Charlie Mac Gee denken.
    „Nein, ich bin nicht bei der Arbeit“, lachte Saint-Germain. „Arbeiten ist dummes Zeug.“
    „Ganz Ihrer Meinung. Aber leider muß man was zu beißen haben.“
    „Was bereitet mir die Freude Ihres Besuches?“
    „Tja, die Arbeit eben. Bin sozusagen dienstlich hier.“
    „Dienst ist Schnaps... Möchten Sie was trinken?“
    „Gern.“
    Er zauberte etwas hervor, was nicht nach Mineralwasser aussah, und füllte zwei Gläser.
    „Ich dachte, Sie trinken nicht“, bemerkte ich.
    „Die Gnade hat mich gestreift“, erklärte er. „Oder besser gesagt: diese Idioten um mich herum haben doch noch auf mich abgefärbt.“
    Für jemanden, der das Trinken nicht gewohnt ist, leerte er sein Glas in Rekordzeit.
    „Sie sagten, Sie seien dienstlich hier?“ fragte er dann.
    „Ja. Folgendes: Die Nichte einer sehr ehrbaren Dame treibt sich in den Kellern des Viertels rum. Der Tante paßt das gar nicht. Die Nichte hat die Zurechtweisung schlecht verdaut und kommt zur Strafe überhaupt nicht mehr nach Hause. Mademoiselle ist zu besorgt um ihre Ehre — und außerdem zu alt — , um selbst nach ihrer Nichte zu suchen, im Cave-Bleue oder Botte-Rouge oder in sonst einem Keller von irgendeiner Farbe. Deshalb hat sie mich damit beauftragt.“
    „Aha... Und weiter?“
    „Sie kennen die Nichte der Tante...“
    Mit dem Stierkopf meiner Pfeife zeigte ich auf die Zeitungen, die auf dem Sofa lagen. Immer dieselben Blättchen: Crépuscule, France-Dimanche usw. usw.
    „Catherine Caprond... oder: Taxi, oder: Miß Müll.“
    Er kniff die Augen zusammen:
    „Sagen Sie mal, Burma... Meinen Sie, die Kleine liegt bei mir im Bett?“
    „An ein Bett hab ich wohl gedacht, aber nicht an Ihres“, stellte ich klar. „Mehr an das Ihres Freundes, des jungen Dichters, der mit dem englischen Pseudonym...“
    „Rémy Brandwell?“
    „Genau der. Er ist doch der Freund des Mädchens, oder?“
    Er sah zur Decke, zuckte die Achseln.
    „Ich glaub, die war schon die Freundin von einigen Freunden.“
    „Mich interessiert nur das letzte Glied in der Kette — wenn ich so sagen darf. Klar, ich brauche nur die Hotels, Bars, Bistros und Keller abzuklappern. Irgendwann kriege ich diese Taxi dann schon zu fassen. Aber ich hab Tantchen

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