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war früher mal ein Handarbeitsgeschäft... Strickwaren und so. Das Bistro hat dann den Namen behalten... und das Ladenschild. Es hängt im Lokal. Wenn Sie sich etwas Vorbeugen, können Sie die beiden durch die Scheibe sehen, oben an einer kleinen Säule, die beiden Figuren.“
„Ja, jetzt kann ich sie sehen. Woraus sind sie? Aus Holz?“
„Ich glaub, ja.“
Ich lachte.
„Warum lachen Sie? Haben Sie einen besonders wohlklingenden Fluch auf der Zunge?“
„Nein, nein. Ich muß nur an einen lustigen Film denken, den die Amerikaner vor ein paar Jahren hier in Paris gedreht haben. Mehrere Szenen sollten im Deux Magots spielen. Die einfallsreichen Filmleute haben das Ladenschild völlig übersehen, dafür aber eine Theke reingestellt. Sah aus wie bei Dupont. Eine Theke im Deux Magots! Stellen Sie sich das mal vor!“
„Wie hieß der Film?“
„Der Mann vom Eiffelturm nach einem Roman von... Ach nein! Das ist j a zum Totlachen! Ich komm irgendwie immer wieder auf diesen verfluchten Fall zurück. Der Roman hieß Der Kopf eines Mannes , von Simenon. Bernard Lebailly hat ihn neulich gelesen... als er noch lesen konnte.“
„Oh, Scheiße!“ rief Hélène.
„Wie bitte?“
Sie wurde feuerrot.
„...oh, nichts... ‘tschuldigung... ich meinte...“ stotterte sie verlegen. „Also, apropos Lebailly... Offensichtlich kriegt Ihr Kopf was drauf, und meiner setzt aus. Hab wieder was vergessen... apropos Lebailly... oder eigentlich Ihr Witwer, der Mann mit den traurigen Augen
„Brandonnel?“ rief ich. „Der Flic, der umgebracht worden ist? Was ist damit?“
„Auf Ihren Befehl hin hab ich die Zeitungen nach Berichten über ihn durchsucht. Find ich zwar überflüssig, aber als Ihre Sekretärin...“
„Sparen Sie sich Ihre Kommentare. Also, was ist?“
„In einer der Zeitungen — ich weiß nicht mehr, in welcher... liegt im Büro — ist die Rede von einem merkwürdigen Telefonanruf, den der Inspektor erhalten hat. Von einem Spitzel, wird angenommen. Am... sieh mal an: an dem Tag, als Sie ihn in der Rue des Quatres-Vents überrascht haben. Also, der Anruf soll ihn sehr nervös gemacht haben... von einer Verabredung wurde gesprochen...“
„Ist nicht viel wert, wissen Sie...“
Hélène wurde wieder rot.
„...ist kein Pfifferling wert, Ihre Information. Nichts Neues für mich. Lebailly hatte sein Namensschild an der Wohnungstür angebracht, weil er jemanden erwartete. Hab immer vermutet, daß er ‘ne Verabredung mit dem Flic hatte. Der kommt auch... und tötet ihn. Wenn Sie mir sagen könnten, weshalb...? Können Sie mir sagen, weshalb, mein Engel?“
„Ich kann Ihnen nur sagen, daß der Inspektor seit dem Anruf nicht mehr derselbe war — schreiben jedenfalls die Zeitungen. Sie fragen sich sogar, ob er sein tragisches Ende nicht freiwillig gesucht hat. Das wär’s.“
„Freiwillig gesucht...“
Irgendetwas stimmte da nicht, irgendwo. Aber was? Fragen alleine reicht nicht. Man muß auch die Antwort finden. Ich dachte, ich hätte mich von meinem K.o.-Schlag vollständig erholt. So kann man sich irren. Mein Kopf arbeitete immer noch nicht wie gewohnt. Sonst hätte ich zu diesem Zeitpunkt das Geheimnis K.o. geschlagen. Indem ich einfach zwei und zwei zusammengezählt hätte. Und dazu noch eine kleine Gedächtnisanstrengung. Aber in meinem armen kleinen Kopf ging’s eben noch nicht so richtig rund, wie Odette Laure singt.
10 .
Miß Müll verschwindet
Am Freitagmorgen schlief ich wie ein Glöckner, als das Läuten des Telefons mich weckte. Meine Uhr zeigte kurz nach zehn.
Ich war mit dem gestrigen Abend ganz und gar nicht zufrieden. Hélène und ich hatten zuerst in der Rue Jacob gegessen, im Restaurant der Mörder , und waren danach in den Club de la Botte-Rouge gegangen. Dort warfen wir unser Geld völlig überflüssigerweise zum Fenster raus. Ein Nachtclub wie alle andern, nur daß er sich nicht im Keller, sondern im Erdgeschoß befand. Ansonsten atmete man den gleichen Rauch ein, drängte sich neben die gleiche bunte Gesellschaft, kriegte genausowenig Luft und hörte dieselbe Musik wie überall. Das einzige, was man vielleicht nicht überall zu sehen und zu hören bekam, war dieser Posaunist, ein einäugiger Neger, der das tote Auge mit einem kanariengelben Stück Stoff verdeckte. Sehr originell und geschmackvoll. Vergleichbar mit dem rotvioletten Auto des Boxers Ray Sugar Robinson. Aber ich hätte eigentlich lieber meinen Roland Gilles gesehen. Fehlanzeige. Nicht mal der Schatten seines
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