No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
works . Ein nicht geringer Teil unseres kulturellen Erbes liegt derzeit in einem solchen Dornröschenschlaf.
Das ist, gelinde gesagt, problematisch. Kann man da nichts machen? Die Europäische Kommission hat im Mai 2011 einen Richtlinienvorschlag veröffentlicht, der die Reichweite des Problems untersucht und mehrere unterschiedliche Lösungen beschrieben hat. Die Mitgliedstaaten können nun eine Schrankenregelung einführen, als eine Ausnahme für verwaiste Werke, ähnlich wie bei der Privatkopie. Sie können Verwertungsgesellschaften mit der Verwaltung der verwaisten Werke beauftragen. Sie können auch eine spezielle Lizenz für solche Werke einführen, die von einer staatlichen Stelle vergeben werden soll. Angedacht ist zudem, dass Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen, die verwaiste Werke zugänglich machen wollen, eine »gründliche Suche« nach dem Rechteinhaber durchführen müssen. Sie würden dann zwar immer noch gegen das Urheberrecht verstoßen, aber diese Rechtsverletzung würde nicht verfolgt. Stattdessen hätte der Rechteinhaber dann gegen den Nutzer einen Vergütungsanspruch.
Aber was ist eine »gründliche Suche«? Das wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein riskantes Abenteuer sein, das in mehreren Schritten verläuft. Zunächst müsste festgestellt werden, ob das Werk noch urheberrechtlich geschützt ist oder nicht. Das ist gar nicht so leicht, weil sich dabei verschiedene Fristen überlagern können. In vielen Fällen ist der genaue Zeitpunkt auch davon abhängig, wann der Urheber gestorben ist. Oft ist es mühsam, wenn nicht gar unmöglich, Urheber oder andere Rechteinhaber aufzuspüren. Wenn ein Werk nicht mehr im Handel ist, ist es alles andere als einfach, an biografische Daten heranzukommen. Selbst wenn man zum Beispiel Informationen über den Autor, den Verlag oder den Vertrieb findet, reicht das oft nicht, um den tatsächlichen Rechteinhaber zu identifizieren. Möglicherweise hat der Urheber seine Rechte einem Dritten übertragen. Ein Copyright, das bei einem Unternehmen lag, ist möglicherweise auch irgendwann in Vergessenheit geraten. Noch komplizierter kann die »gründliche Suche« werden, wenn ein Unternehmen zwischenzeitlich in Konkurs gegangen oder aufgekauft worden ist. Wo sind dann die Urheberrechte abgeblieben? (Gowers 2006: 69 ff.)
Und so was nennt sich Piraten ...
In Schweden ist im Januar 2006 eine neue politische Partei gegründet worden, die Piratpartiet, von Bürgern, die mit der derzeitigen Entwicklung des Urheberrechts offenbar nicht zufrieden waren. Die Partei schaffte es zunächst nicht, einen Sitz im Parlament zu ergattern, bekam bei den Wahlen aber einige zehntausend Stimmen. Anders als ihr Name suggerierte, trat sie nicht dafür ein, das Copyright-System abzuschaffen, sondern wollte lediglich sicherstellen, dass das Urheberrecht wieder seiner ursprünglichen Funktion gerecht wird. Kopien mit anderen zu teilen oder Werke zu nichtkommerziellen Zwecken zu verbreiten oder zu nutzen, sollte grundsätzlich nicht illegal sein, denn ein solches fair use geschehe zum gemeinschaftlichen Nutzen aller Mitglieder der Gesellschaft. (Siehe International Herald Tribune , 5. Juni 2006)
Die Piratpartiet bekam viel Aufmerksamkeit – und einen hohen Zulauf an Mitgliedern – als im Juni 2006, kurz vor den Wahlen, die schwedische Polizei die Webseite The Pirate Bay abschaltete, eine beliebte Seite mit Links zu Musikdateien in Tauschnetzwerken. Das verursachte einen Tumult, der besonders heftig wurde, als die schwedische Nachrichtensendung Rapport behauptete, der Schlag gegen die Pirate Bay sei infolge direkter Druckausübung der Vereinigten Staaten auf die schwedischen Behörden erfolgt. Zum Beleg wurde angeführt, dass die schwedische Staatsanwaltschaft zu jenem Zeitpunkt längst zu dem Schluss gekommen sei, es liege zu wenig gegen The Pirate Bay vor, um eine Razzia zu rechtfertigen. Die schwedische Regierung bestritt diese Bezichtigung allerdings. (Ebd.)
Inzwischen hat die Piratenpartei in mehreren Ländern beträchtliche Wahlerfolge verbucht. Bei den schwedischen Wahlen für das Europäische Parlament haben die Piraten es 2009 geschafft, 7,13 % der Stimmen zu holen, was auf zwei Sitze im Europäischen Parlament hinauslief. Im September 2011 kam die Partei in Berlin sogar auf 8,9 % der Stimmen und konnte 15 Delegierte ins Abgeordnetenhaus entsenden. Ähnlich wie 2006 ist der Standpunkt der schwedischen Piratpartiet zum Copyright auch heute noch ein gemäßigter.
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