No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
Die »Declaration of Principles« vom 25. November 2010, Version 3.2, spricht sich dafür aus, »die Gesetzgebung weltweit so anzupassen, dass sie der sich entwickelnden Informationsgesellschaft, welche von Diversität und Offenheit geprägt ist, besser gerecht wird. Wir verlangen ein höheres Maß an Respekt vor den Bürgern und ihrem Recht auf Privatsphäre sowie Reformen bei der Urheberrechts- und Patentgesetzgebung [...] Das heutige Urheberrecht erfüllt die Funktion eines Interessenausgleichs nicht mehr. [...] Der verbreitete und systematische Missbrauch des geltenden Urheberrechts ist im Hinblick auf die eigentlichen Zwecke des Rechts kontraproduktiv, da er sowohl die Schöpfung neuer kultureller Ausdrucksformen als auch den Zugang zu diesen einschränkt. [...] Das Urheberrecht muss wieder zu seinen Ursprüngen zurückgeführt werden. Die entsprechenden Gesetze sollten derart umgestaltet werden, dass sie lediglich die kommerzielle Nutzung und Vervielfältigung geschützter Werke regulieren. Kopien von Werken zu tauschen oder zu verbreiten bzw. zu nichtkommerziellen Zwecken zu nutzen, sollte grundsätzlich nicht illegal sein. Solche Nutzungen sollten vielmehr unter ein fair use fallen, da sie zum gemeinschaftlichen Nutzen aller Mitglieder der Gesellschaft geschehen. [...] Wir schlagen eine Verkürzung der kommerziellen Schutzdauer, also des Monopols zur Herstellung von Vervielfältigungsstücken zu gewerblichen Zwecken, auf fünf Jahre seit Veröffentlichung des Werks vor.«
Wer erwartet hatte, in diesem Positionspapier eine fundierte Erörterung von Grundprinzipien und Anwendungspraxis des Urheberrechts zu finden, wird also enttäuscht. Man scheint sich darauf verständigt zu haben, die scharfen Kanten des Systems ein bisschen glätten zu wollen, mehr nicht.
Auch bei der deutschen Piratenpartei herrscht in Sachen Urheberrecht eher Pragmatismus vor. Auf deren Webseite heißt es, die Piratenpartei trete »für eine Legalisierung der Privatkopie« ein, »auch weil es technisch gar nicht möglich ist, Privatkopien zu unterbinden. Dabei geht es ihr nicht darum, das Urheberrecht vollständig abzuschaffen« (siehe http://www.piratenpartei.de/unsere_ziele ). Die Aussage bleibt jedoch im Zusammenhang unmotiviert. Auch beim Bundesparteitag der Piraten am 3. und 4. Dezember 2011 in Offenbach schlägt die Partei bloß brav die »Begrenzung der Schutzfristen für Urheber auf maximal zehn Jahre nach dem Tod vor. Außerdem sollen alle Werke zur nicht-gewerblichen Nutzung kopiert werden dürfen« ( Süddeutsche Zeitung , 3./4. Dezember 2011). Was sanfte und harte Drogen angeht, ist man mutiger: alles legalisieren! Man sei eine »Grundrechtspartei«, keine »Internetpartei«, fasst Sebastian Nerz (Vorsitzender bis April 2012) zusammen.
Die Bezeichnung »Pirat« scheint sich bei verschiedenen Piratenparteien allmählich zu so etwas wie einem Markenzeichen zu entwickeln. Analysen der Funktionsweise von Märkten, auch von kulturellen Märkten, und der sie beherrschenden Kräfte sucht man jedoch vergeblich. Ob Rechte des geistigen Eigentums zu billigen und aufrechtzuerhalten sind oder ob es demokratisch ist, dass einzelne Großkonzerne, auch im Netz, die Spielregeln diktieren – solche Fragen scheint es für die Piratenparteien nicht zu geben. Die Süddeutsche Zeitung vom 3./4. Dezember 2011 kommt zum Schluss, es handele sich im Kern um liberale Parteien, denen es allerdings mehr um die Art und Weise gehe, wie Politik betrieben werde, als um den Inhalt: »Die Piratenpartei hat ihre Erfolge eben nicht in erster Linie als eine ›Interessengemeinschaft Internet‹ eingefahren, sondern weil sie in dem Ruf steht, eine freiheitliche Partei anderen Typs zu sein. Nicht dass die Themen der Netzagenda für die Mobilisierung der Mitglieder keine Rolle spielten – vom Urheberrecht über die Netzsperren bis zur Vorratsdatenspeicherung. Für ihre Anhänger aber ist die Piratenpartei vor allem ein Versprechen auf eine andere Form der politischen Meinungsbildung, auf mehr Transparenz.« Und so was nennt sich dann Piraten ...
Ausgestaltungsfreiheit für Regelungen zum geistigen Eigentum
Kritiker bemängeln immer wieder, dass viele Länder heutzutage nicht mehr die Freiheit besitzen, ihre Urheberrechtsgesetzgebung nach eigenem Gutdünken vorzunehmen. Zunehmend werden sie gezwungen, ein Grundniveau an Urheberrechtsschutz im Sinne des TRIPS-Abkommens zu implementieren, also jenes WTO-Abkommens über den Handel mit geistigem Eigentum, von
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