No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
dann die Frage: Was soll auf diesem Markt alles möglich sein? Mit Rückblick auf die vorigen Kapitel denken wir dabei an die folgenden Punkte:
– In Zukunft sollten mehr Künstler mit ihrer Arbeit ein ordentliches Einkommen erzielen können.
– Produktionsmittel, Vertriebswege und Promotionsmöglichkeiten müssen möglichst vielen Akteuren zur Verfügung stehen, das Eigentum daran darf nicht konzentriert sein.
– Es muss einen großen und frei zugänglichen, gemeinfreien Bereich von Wissen und künstlerischer Kreativität geben.
– Das Publikum darf nicht mit Marketing und Werbung für eine Handvoll Topstars überschüttet werden. Es muss ungehindert mit einer möglichst großen Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in Berührung kommen und eine eigene Auswahl treffen können.
Wie sollen diese Punkte verwirklicht werden? Unser Ausgangspunkt ist überraschenderweise der kulturelle Unternehmer. Das kann der Künstler selbst sein, ein anderer, der ihn vertritt, oder auch ein Produzent,
Verleger oder Auftraggeber. Das wichtigste Merkmal eines Unternehmers ist, dass er auf einem bestimmten Gebiet, hier also dem kulturellen, ein gewisses Risiko eingeht, das spezifische Chancen und Probleme mit sich bringt. Über Unternehmertum und Risiken ist viel philosophiert worden, auch über unternehmerische Grundhaltungen: Unternehmer müssen proaktiv denken und handeln können, also ihren Konkurrenten einen Schritt voraus sein, müssen herannahende Schwierigkeiten oder entstehende Chancen wittern und immer im Blick haben, was sich rundum gerade tut. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat deutlich gemacht, dass diese proaktive, vorausschauende Haltung vielen, die sich Unternehmer nennen, nicht gegeben ist.
Eine Frage, die in Texten über Unternehmertum allerdings nicht oder kaum vorkommt, lautet, wie die Umstände aussehen müssen, unter denen Risiken sich für möglichst viele Akteure lohnen. Wie muss ein solcher Markt gestaltet sein, wie müssen die jeweiligen Machtverhältnisse beschaffen sein, welche Regelungen setzen dem Unternehmertum Grenzen oder eröffnen ihm Chancen? Darum geht es in diesem Kapitel.
Wir stehen damit vor einer großen Herausforderung, denn wir wollen einen Markt schaffen, der eine ganz spezifische Bedingung erfüllt: Es soll keine dominante Kraft geben, die ihn beherrschen kann. Das scheint uns die Grundvoraussetzung zu sein, um die Ziele, die wir bereits formuliert haben, zu verwirklichen.
Auf dem heutigen kulturellen Markt finden wir zwei Arten der Marktbeherrschung, die wir ablehnen. Da ist zum einen das Urheberrecht. Damit haben wir uns bereits ausführlich beschäftigt. Es gibt seinem Eigentümer das Mittel an die Hand, die Nutzung eines Werks zu kontrollieren, mit allen Konsequenzen. Eine andere Art von Marktkontrolle haben wir noch nicht so ausführlich behandelt: Ein kleine Zahl von Großkonzernen übt weltweit einen starken Einfluss auf die Produktion, den Vertrieb und die Rezeptionsbedingungen vieler Werke aus. Aber auch auf die Promotion, die für diese Werke veranstaltet wird, seien es nun Filme, Musikstücke, Bücher, Designwerke, Werke der bildenden Kunst, Shows oder Musicals. Je nach Kunstsparte kann der Einfluss dieser Großunternehmen unterschiedlich ausfallen. Zudem gibt es noch allerlei Arten vertikaler und horizontaler Integration, die bis in den Bereich des Digitalen vordringen.
Natürlich wird der Kulturbereich nicht zu 100 Prozent von Großunternehmen beherrscht. Es gibt durchaus ein breites Mittelfeld. Aber selbst mittelgroße Unternehmen kämpfen im Bereich der Kultur oft ums Überleben. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird sich zeigen, dass gerade sie gestärkt aus unserem Experiment hervorgehen würden. Würden unsere Vorschläge umgesetzt, bräuchten sie nicht mehr gegen die Megakonzerne anzukämpfen, die mit ihrem allgegenwärtigen Marketingwirbel alle anderen Angebote verdrängen.
Die beiden erwähnten Formen der Marktbeherrschung gehen Hand in Hand. In nennenswertem Umfang Rechte an geistigem Eigentum zu halten, ergibt nur Sinn, wenn man diese Werke dann auch verkaufen kann. Es ist schön, große Produktionskapazitäten zu haben, aber wenn das eigene Produkt am nächsten Tag nach Belieben von anderen benutzt werden kann, ohne dass sie dafür bezahlen – wenn man also keinen Schutz in Form des Urheberrechts genießt –, dann kann man seine Produktionsstätten auch gleich dichtmachen. Dies gilt für Musik ebenso wie für andere Bereiche der künstlerischen
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