Noah: Thriller (German Edition)
einem weißen Pulver, dessen Inhalt er sich in die Mulde zwischen Daumen und Zeigefinger schüttete. Er hob die Hand zur Nase, nahm einen kräftigen Zug und: »Ahhhhh.«
Seine Augen verdrehten sich, sein ganzer Körper erzitterte. Er stampfte mit dem Fuß auf und rief wie von Sinnen: »Ja, ja. Mann, okay, ist das geil.« Bei jedem Wort stampfte er lauter. Dabei schlug er sich mit der Waffe in der Hand immer wieder auf den Oberschenkel und lachte. Schließlich hörte er abrupt damit auf.
Herr im Himmel.
Als er wieder zu Celine sah, war er ein anderer Mensch. Das Kokain oder was immer er sich durch die Nasenschleimhäute in die Blutbahn gejagt hatte, verwandelte ihn.
Wie das Mondlicht einen Werwolf.
»Also gut, du Schlampe. Wie du willst.«
Er baute sich grinsend vor ihr auf. Rotz hing aus seinem linken Nasenloch.
Celine wich zurück, sah zu dem Kaminbesteck, das viel zu weit von ihr entfernt stand. Rüttelte an ihren Handgelenken. Spürte das Blut, das aus den Einschnitten des Kabelbinders durch die Haut sickerte. Spürte ihre Angst.
»Wie hart hättest du’s denn gerne?«
Oh Gott. Ich habe den Kettenhund von der Leine gelassen.
Sie hatte sich geirrt. Der Mann vor ihr war kein Knabe. Er war auch nicht unerfahren. Das, was sie fälschlicherweise als Nervosität und Unsicherheit interpretiert hatte, das Zittern und der Schweiß, waren in Wahrheit Entzugserscheinungen gewesen.
»Na, dann werd ich’s dir mal besorgen, du Hure«, sagte er und zog grinsend die Nase hoch.
Der mit einem Mal um Jahre gealtert und brutal wirkende Schlägertyp öffnete seine Hose.
»Mit dir und der Missgeburt in deinem Bauch wird das mein erster Dreier in dieser Woche.«
11. Kapitel
Noah, Oscar und die Frau, die sie Amber nannten, waren mittlerweile seit knapp drei Stunden unterwegs. Unter normalen Umständen – also ohne Straßensperren, Staus und demonstrationsbedingte Umleitungen – hätten sie die Strecke in weniger als der Hälfte der Zeit geschafft. Aber allein Oscars Suche nach einer geeigneten Ausfahrt von der Großbaustelle hatte eine Viertelstunde in Anspruch genommen. Immerhin hatte der gelangweilte Pförtner nicht einmal von seinem Fernseher aufgesehen, als er aus seinem Baustellencontainer heraus blind die Schranken für ihren Transporter öffnete.
So waren sie ungehindert an dem Kopfende einer engen Sackgasse herausgekommen und hatten damit vermutlich den größten Stau rund um den Bahnhof umfahren.
Von hier an konnte das Navi wieder ein brauchbares Satellitensignal aufschnappen und wies ihnen den eingespeicherten Weg: zu dem kleinen Ort Oosterbeek. In eine Waldstraße ohne Hausnummer, etwas mehr als fünfundneunzig Kilometer südöstlich von Amsterdam gelegen.
»Ich wusste es!« , hatte Oscar triumphiert, als er das Ziel ihrer Reise von dem Bildschirm abgelesen hatte.
Oosterbeek. Der Bach des Ostens.
Seine Verschwörungstheorien hatten neue Nahrung erhalten – und zwar von einer Sorte, die Noah nur schwerlich als unausgegoren abtun konnte: Mächtige, einflussreiche und allem Anschein nach sehr vermögende Menschen waren hinter ihm her.
Die Bilderberger? Room 17?
Es ging anscheinend um ein Video, für das es sich zu töten lohnte.
Von einer Konferenz?
Aufgenommen von einem Virologen. Einem Wissenschaftler, in dessen Körper er angeblich steckte, ohne sich daran erinnern zu können.
Dafür aber an den Toten im Adlon.
Die Fahrt, während der Noah versucht hatte, seine Gedanken zu sortieren, war größtenteils über Autobahnen und relativ unspektakulär verlaufen. Aus dem fensterlosen Frachtraum heraus hatte er nicht viel von der Gegend, durch die sie bislang gefahren waren, sehen können. Wann immer er nach vorne geschaut hatte, schien sich die Landschaft vor dem Transporter nicht verändert zu haben: überall Schnee, Bäume, weite Felder.
Und Autos. Dicht an dicht.
Auch außerhalb Amsterdams waren die Straßen ungewöhnlich voll. Oscar hatte nie die Möglichkeit, die Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten, teilweise konnte er selbst auf der Überholspur nur im Schritttempo kriechen, wobei er den Verkehr überraschend souverän meisterte.
Die Ratten verlassen die sinkende Stadt, dachte Noah und betrachtete Amber. Sie war vor Erschöpfung im Sitzen eingeschlafen. Ihr Kinn ruhte auf dem Brustbein, dünnflüssiger Sabber tropfte aus dem Mundwinkel in den Fellkragen ihrer Jacke.
Davor hatte er ihre Fesseln gelöst, um sie mit dem Verbandszeug aus dem Erste-Hilfe-Kasten (den Oscar nach
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