Noah: Thriller (German Edition)
sie eine Salve von Schüssen hörte.
»Was ist mit dir?«, fragte Oscar und warf einen nervösen Blick zurück zum Quarantänezimmer, in dem Noah offenbar die Glaswand zerschossen hatte.
Unfähig zu antworten, klammerte sich Celine an den Pfosten eines Bücherregals. Sie litt seit der Pubertät unter heftigen Regelschmerzen, daher kannte sie das Gefühl, wenn eine Hand von innen ihre Eingeweide zusammenquetschte.
Aber ich bekomme ja wohl kaum meine Tage …
Ein furchtbarer Gedanke verstärkte ihre Schmerzen.
Großer Gott …
Celines Blick fiel auf ein kleines Messingschild mit einer stilisierten Badewanne an der Tür neben dem Regal. Es waren nur zwei Schritte, aber die trieben weitere Schmerzwellen durch ihren Körper.
Um Himmels willen, bitte nicht …
Sie ignorierte Oscars besorgte Fragen, strauchelte in das Badezimmer, schaltete das Licht an und schloss die Tür von innen.
Bitte, lieber Gott. Lass es nicht das sein, was ich denke.
Von vier Deckenstrahlern funktionierte nur noch ein einziger, dessen dünnes Licht auf sandfarbene Fliesen fiel. Es gab eine kleine Sitzbadewanne, eine abgetrennte Dusche, ein WC und Bidet und ein geschwungenes Waschbecken aus Naturstein. Das Badezimmer war geschmackvoll eingerichtet, jedoch lange nicht mehr gereinigt worden. Staubschichten überzogen die mit Kosmetika vollgestellten Glasablagen, die Armaturen und den hohen Spiegel über dem Waschbecken. Schmutzige Handtücher lagen in der Wanne und auf dem Boden. In dem Klo, dessen Deckel Celine eilig öffnete, schwamm braunes Wasser. Fauliger Geruch stieg ihr in die Nase.
Oscar klopfte, fragte, ob alles okay wäre.
Nein. Oh Herr im Himmel, ich fürchte, nein.
Celine riss sich den Gürtel ihrer Hose auf, zog sich die Hose über die Knie und setzte sich auf die eiskalte Brille.
Wegen der Krämpfe musste sie sich nach vorne beugen. Sie vergrub den Kopf in ihren Armen.
Und weinte.
Ich bin entführt worden. Man hat versucht, mich zu vergewaltigen. Und ich habe eine Frau erschossen. Was erwartest du, Celine?
Der Urin drückte von innen gegen ihre Blase, doch sie traute sich nicht, sich zu erleichtern.
Was, wenn noch etwas anderes aus meinem Körper will?
Dr. Malcom hatte ihr gesagt, dass es oft ganz harmlose Komplikationen gäbe, ein Ziehen normal wäre, wenn zum Beispiel die Bänder der Gebärmutter sich dehnten.
Aber verdammt, tut das denn so weh?
Bisher hatte es das noch nie getan.
Schließlich konnte Celine es nicht mehr halten. Als sie fertig war, blieb sie noch eine Weile sitzen. Mit der Entspannung ihrer Blase hatten auch die Krämpfe nachgelassen.
Die Wehen?
Sie konnte etwas tiefer einatmen, sich leichter aufrichten und wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.
Auf dem Halter neben dem Klo gab es kein Toilettenpapier, aber auf dem Waschbecken stand ein Kosmetiktuchspender. Sie musste aufstehen, um ein Tuch herauszuziehen, mit dem sie sich abwischte.
Dann schloss sie die Augen. Zerknüllte das Tuch. Öffnete wieder die Hand. Und dann die Augen.
Nein. Bitte. Nein!
Der körperliche Schmerz war nicht mehr so intensiv. Dafür wuchsen die seelischen Qualen.
Ist das Blut?
Celine hielt das Kosmetiktuch unter das Licht des Deckenstrahlers.
Es war nur ein kleiner roter Streifen auf dem Papier, nicht sehr dunkel, aber zu dunkel für Urin, selbst in Anbetracht der Tatsache, dass sie die letzten Stunden viel zu wenig getrunken hatte.
»Oh nein«, sagte sie laut.
Krämpfe. Blutungen. Erstes Trimester.
Sie sah in das Klo, aber das Wasser war ja schon vorher dunkel gewesen.
Bitte, lieber Gott. Lass es nicht das sein, wonach es aussieht.
Natürlich konnte es eine harmlose Schmierblutung sein. Eine Pseudoperiode. Aber wie wahrscheinlich war es, dass das nichts zu bedeuten hatte? Nach allem, was vorgefallen war? In den ersten zwölf Wochen verloren über 30 Prozent aller Frauen ihr Kind. Wenn es eine Tatsache war, die sie aus ihren Schwangerschaftsbüchern behalten hatte, dann ausgerechnet diese.
Ich habe Schmerzen. Ich blute. Und ich kann Pünktchen schon seit langem nicht mehr spüren.
Celine sank zu Boden. Krallte ihre Hände in einen staubigen Badevorleger. Und weinte.
Es dauerte, bis die Tränen versiegt waren. Bis sie merkte, wie die Kälte von den Fliesen in ihren Körper kroch. Ihr erster Gedanke war, dass das nun auch gleichgültig war, selbst wenn sie sich eine Lungenentzündung holte. Doch dann, nach weiteren Minuten, wurde sie wütend.
Auf Kevin Rood, der sie manipuliert hatte.
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