Noah: Thriller (German Edition)
Auf Amber, die sie entführt und in diese aussichtslose Lage gebracht hatte. Und auf Noah, der sich lieber selbst mit einer tödlichen Krankheit anstecken wollte, als sie aus dem Wahnsinn zu befreien, an dem er sicher nicht unschuldig war.
Und diese Wut vertrieb ihr Selbstmitleid.
Ein Gedanke formierte sich in ihrem Kopf. Ein einziges Wort, das ihr umso mehr Kraft gab, je häufiger sie es wiederholte.
Nein.
Erst stumm, dann flüsternd. Schließlich laut und deutlich: »Nein!«
Das ist nicht der Plan. Das lasse ich nicht zu.
»Nein.«
Ich werde hier nicht verrecken. Irgendwo in Holland, auf einem dreckigen Klo. Fernab von meiner Heimat. Von meinen Freunden. Meinen Eltern.
»Nein.«
Sie berührte sich zwischen den Beinen, besah sich ihre Finger.
Kein Blut. Da kommt kein Blut mehr.
Celine rappelte sich auf, zog die Hose wieder hoch und sah in den Spiegel.
Ich werde nicht aufgeben.
Sie berührte ihren Bauch, der sich fest, aber nicht mehr verkrampft anfühlte.
Ich werde DICH nicht aufgeben.
Sie wischte den Staub von dem Spiegel und biss trotzig die Zähne zusammen.
»Nein.«
Das hier ist nicht das Ende. Das darf es nicht sein.
Celine ging zur Badezimmertür, in dem festen Vorsatz, sofort ins Krankenhaus zu fahren, um sich und ihr Baby untersuchen zu lassen, und wunderte sich über die Dunkelheit, die sie im Flur empfing. Bevor sie auf der Toilette verschwunden war, hatten die Deckenlampen der Küche hell geleuchtet. Ihr Licht hatte bis tief in den Gang hineingereicht, in dem Celine sich jetzt nahezu blind vorantastete.
»Oscar?«, rief sie. Hatte der Kerl sie etwa alleine zurückgelassen? »Wo steckst du?«
Und wenn schon. Ich brauche ihn nicht. Ich schaffe das auch ohne Hilfe.
Celine erreichte die zur Küche hinaufführenden Stufen und suchte nach einem Lichtschalter an der Wand. Sie hatte ihn gerade gefunden, als eine unbekannte Stimme sie aufschreien ließ.
»Nicht«, sagte ein Mann, nur wenige Meter von ihr entfernt. »Lassen Sie es bitte dunkel.«
Nein, dachte Celine, doch nicht länger mit trotziger Zuversicht. Sondern mit blankem Entsetzen.
»Wer sind Sie?«, wollte sie den Fremden fragen, aber die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
»Er ist bewaffnet«, hörte sie Oscar von der Couch rufen. Auch seine Stimme zitterte, jedoch nicht so stark wie ihre Knie. Celine war nicht mehr in der Lage, auch nur einen Schritt zu gehen. Die Angst war wieder zurück, und sie hatte eine lähmende, gleichzeitig aber auch klärende Wirkung. Einerseits stand sie wie festgewurzelt im Raum. Andererseits schienen sich ihre Augen schnell an das Dämmerlicht gewöhnt zu haben, für das der ausglühende Kamin im Wohnzimmer sorgte. Eine graue Silhouette schälte sich aus der Dunkelheit. Ein unbekannter, hochgewachsener Mann stand am Küchentresen und hielt etwas metallisch Glänzendes in der Hand.
»Mann, die Suche nach Ihnen hat mich richtig hungrig gemacht«, sagte er und hustete.
Dann hörte Celine ein Geräusch, das gut zu den Schmerzen gepasst hätte, unter denen sie im Bad zusammengebrochen war. Es hörte sich an, als ob ein stumpfes Messer durch Metall schnitt.
19. Kapitel
Todesangst ist ein seltsames Ding , hörte Noah die altväterliche Stimme sagen, als er über das zerbröselte Sicherheitsglas hinweg in den ehemaligen Quarantänebereich trat. Er wusste nicht, ob es die Stimme des alten Mannes auf dem Bett war, der in Abwehrhaltung die Arme vor dem Kopf verschränkt hielt.
Halte einem halb erfrorenen Obdachlosen eine Pistole an die Schläfe, und er wird dich trotz seiner aussichtslosen Lage anbetteln, um Himmels willen am Leben bleiben zu dürfen.
Die Stimme, die er über die Lautsprecher gehört hatte, schien eine andere gewesen zu sein als die in seinem Kopf, aber wer wusste schon, wie der Todgeweihte früher geklungen hatte, als das Virus sich noch nicht in seinem Körper ausbreitete?
Selbst die, die nichts mehr vom Leben haben, wollen es nicht verlieren.
Auch der Alte wollte nicht sterben, obwohl der letzte Vorhang bereits im Fallen war. Nur noch ein, maximal zwei Tage, und die Manila-Grippe würde einen weiteren Strich auf ihrer Todesliste machen können. Doch im Augenblick hatte der Kranke keine Angst vor dem Virus, sondern vor Noah.
»Bleib mir vom Leib!«, brüllte er und begann schneller zu kauen.
Noah trat an das Bett und riss ihm den halb zerknüllten Brief aus der Hand. Dann presste er ihm Daumen und Zeigefinger in die Kieferhöhlen. Es brauchte keinen starken Druck, um ihn dazu zu
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