Noah: Thriller (German Edition)
schlimm sein. Jeder meldet was anderes, ich versteh das alles nicht, Liebes.«
»Ich auch nicht«, hörte sie eine Frauenstimme im Hintergrund schimpfen. Deborah. Die beste Freundin ihrer Mutter, zumindest, wenn es nach ihrer Nachbarin ging. Deborah Knowles war Witwe und wohnte schräg gegenüber. »Unsere Alarmanlage«, wie Dad gerne über sie witzelte. Seitdem ihr Mann an Krebs gestorben war, verbrachte sie die meiste Zeit damit, auf ein rotes Plüschkissen gestützt am Fensterbrett zu hocken und auf die Straße zu starren. Zu Marias Leidwesen kam sie mehrmals in der Woche unangemeldet vorbei, um über ihre – in der Regel langweiligen – Beobachtungen zu referieren. »Habe ich es nicht schon immer gesagt, der Sohn der Sterns gerät auf die schiefe Bahn, gestern ist er sogar erst gegen zwei Uhr morgens nach Hause gekommen. Na ja, egal, hast du den schwarzen BMW gesehen, der verdächtig langsam durch unsere Straße gefahren ist? Die kundschaften sicher Zeiten aus, wo wir nicht zu Hause sind. Ach … und halt dich fest: Cathy Bigelow hat einen neuen Verehrer, dabei ist ihr Mann nicht mal ein Jahr unter der Erde …«
Maria hatte es bislang nicht übers Herz gebracht, Deborah zu sagen, dass sie an dieser Sorte Tratsch nicht interessiert war, doch heute kam ihr der Besuch vermutlich ganz gelegen. Zumindest Celine war erleichtert, dass ihre Mutter im Moment nicht alleine war.
»Was ist das überhaupt für eine Nummer, von der du dich meldest?«, hörte sie sie fragen, während sie den Vorwärtsgang einlegte.
Mit der Antwort »eine NNN-Außenstelle« setzte Celine die Reihe ihrer Notlügen fort.
»Und wann kommst du nach Hause?«
»Bald.«
»Wie bald?«
Celine sah auf die Uhr im Armaturenbrett. Es war kurz nach fünf. Sie seufzte innerlich.
Sobald ich einen Weg gefunden habe, wieder in die USA zurückzufliegen. Vorher muss ich aber erst einmal einen Arzt finden, der nachprüft, ob Pünktchens Herz noch schlägt, und mich vorsorglich gegen die Manila-Grippe behandelt. Falls das überhaupt möglich ist.
»Ich weiß nicht, wie lange es noch dauert«, sagte Celine ausnahmsweise die Wahrheit.
»Aber du beeilst dich?«
»Ja, natürlich.«
Sie legte den Vorwärtsgang ein und wendete das Fahrzeug Richtung Ausfahrt.
»Steckst du in Schwierigkeiten?«, fragte ihre Mutter unvermittelt.
»Ob ich … was?« Celine schluckte. »Wieso fragst du das?«
»Ich bin deine Mutter«, antwortete Maria und klang dabei alles andere als ungezwungen. »Ich darf mir doch wohl um dich Sorgen machen.« Sie lachte gekünstelt. Etwas, was sie noch seltener tat als fluchen.
»Was ist los, Mama?« Celine trat auf die Bremse, um sich vollständig auf das Gespräch konzentrieren zu können. Im Rückspiegel sah sie, wie der Propeller der Cessna sich drehte. Wenn in der Maschine kein Schlüssel gesteckt hatte, wovon nicht auszugehen war, war es ihnen erstaunlich rasch gelungen, das Flugzeug kurzzuschließen.
»Du klingst auf einmal so komisch«, fuhr Celine fort. Plötzlich hustete jemand. Nicht in ihrer unmittelbaren Nähe, sondern über sechstausend Kilometer entfernt.
»Du bist nicht alleine, Mum, oder?«
Deshalb ist sie so aufgelöst. Daher spricht sie so komisch.
»Nein, Mrs. Knowles ist hier …«
»Ich rede nicht von Deborah. Wer ist da noch?«
Etwa jemand, der dir Anweisungen gibt, mich in der Leitung zu halten?
Sie wollte auflegen, doch die Angst um ihre Mutter hielt sie davon ab.
»Was hast du, Liebes? Wieso bist du auf einmal so … Moment, ja, ich … okay.«
Celine hörte, wie ihre Mutter den Hörer weiterreichte.
»Wie geht es dir?«, meldete sich eine vertraute Männerstimme.
Vor Schreck nahm sie den Fuß von der Kupplung. Der Wagen machte einen Satz nach vorne, und der Motor soff ab.
Was zum Teufel hatte er im Haus ihrer Eltern verloren?
»Schön, deine Stimme zu hören«, sagte der Chefredakteur. Celines Unterleib verkrampfte sich. Wie so oft in letzter Zeit machte sich ihre Angst an der im Augenblick wertvollsten Stelle ihres Körpers bemerkbar.
»Ich schwöre, wenn du meiner Mutter auch nur ein Haar …«
»Keine Sorge. Ich bin nur vorbeigekommen, um nach dem Rechten zu sehen, als ich hörte, dass sie ganz alleine ist.«
Dieser Scheißkerl. Hatte er seine Mutter gezwungen, sie so lange in der Leitung zu halten, bis ihr Aufenthaltsort lokalisiert war?
»Ehrlich gesagt mache ich mir auch Gedanken, was in den letzten Stunden geschehen ist«, flüsterte er eindringlich.
»Was willst du?«, zischte
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