Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noah: Thriller (German Edition)

Noah: Thriller (German Edition)

Titel: Noah: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
Vom Netzwerk:
hochgewachsenen Statur? An dem dunklen, knielangen Mantel? Vielleicht war es auch einfach der Umstand, dass der Fremde weder Koffer noch Handgepäck mit sich führte, was für einen Reisenden einigermaßen ungewöhnlich war. Allerdings brauchten Geschäftsleute heutzutage kaum mehr als ihr Smartphone.
    Noah sah, wie der Mann mit dem schütteren, leicht ergrauten Haar sich etwas in den Mund schob, ein Bonbon oder einen Kaugummi. Dann hörte er den Zug einfahren. Der Mann löste sich vom Aushang und ging den Bahnsteig hinunter, dem bremsenden ICE entgegen.
    Je länger Noah den Unbekannten beobachtete, der sich immer weiter von ihnen entfernte, desto mehr zweifelte er daran, eine Gefahrenquelle ausgemacht zu haben. Doch dann machte der Mann einen kleinen, aber verhängnisvollen Fehler: Er neigte den Kopf etwas zur Seite, gerade in dem Moment, als er einen beleuchteten Getränkeautomaten passierte. Nur deshalb hatte Noah das Funkeln sehen können; den kleinen, reflektierenden Metallpunkt in seinem Ohr, vermutlich nicht größer als ein Stecknadelkopf.
    Ein Miniaturempfänger?
    Noah kniff die Augen zusammen. Sah den Unterkiefer des Mannes, der sich bewegte, und war sich mit einem Mal sicher, dass diese Person keinen Kaugummi kaute.
    Er redet mit jemandem.
    Da versperrte ihm eine vierköpfige Familie, die in großer Eile die Treppen hinaufgehastet gekommen war, die Sicht.
    Noah zögerte keine weitere Sekunde. Er lief den Eltern mit ihren beiden kleinen Söhnen entgegen (der FAMILE, wie es ihm unsinnigerweise durch den Kopf schoss) und blieb dann im Windschatten eines Stahlbetonträgers direkt im Rücken des Mannes stehen. Noah konnte seine Augen in den verdunkelten Scheiben der ICE-Waggons erkennen.
    Der Mann berührte mit seinen Fingern (wieso trägt er bei der Kälte keine Handschuhe?) einen kreisrunden Punkt auf der Zugtür und trat einen Schritt von der Bahnsteigkante zurück, als diese sich mit einem Zischen öffnete. Zum Glück stiegen weder ein Schaffner noch Fahrgäste aus. Auch die Familie hatte einen anderen Waggon gewählt, was den Zugriff erleichterte.
    Keine Zeugen.
    Noah startete den Angriff, als der Mann den Fuß auf die unterste Stufe des Einstiegs setzte. Er rannte zum Zug, packte das vermeintlich sicher stehende Bein und zog es nach hinten, wodurch der Mann mit einem etwas jämmerlich klingenden »Wahh« nach vorne kippte. Damit es für etwaige Augenzeugen wie ein Missgeschick stolpernder Fahrgäste aussah, warf auch Noah sich nach vorne und begrub den knochigen Kerl unter sich. Obwohl er seine freie Hand die ganze Zeit fest um die in seiner Jackentasche versteckte Pistole gehalten hatte und es ein Kinderspiel gewesen wäre, sie abzufeuern, hatte Noah nicht geplant, den Mann bereits beim Einstieg zu töten. Erst wollte er wissen, um wen es sich handelte.
    Wer ist der Killer, der mich verfolgt? Wer hat ihn auf mich angesetzt? Und weshalb? Auf ihm liegend, halb im Zug, halb auf der Treppe, hörte er den Fremden fluchen. Roch dessen Atem.
    Alkohol? Im Einsatz?
    Dann sah er das elektronische Gerät in dessen Ohr. Und in diesem Moment erkannte er seinen Irrtum.
    Fehler. Ich habe einen Fehler gemacht.
    Nicht nur sein Gedächtnis funktionierte nicht mehr. Auch die Fähigkeit, Gefahrensituationen richtig einzuschätzen – Gut von Böse zu trennen –, schien ihn langsam, aber sicher zu verlassen.
    Es wird schlimmer. Nicht besser.
    »Es tut mir sehr leid«, entschuldigte sich Noah und rappelte sich hoch, absichtlich ungeschickt, um die Zeit zu gewinnen, die er zum Wegstecken seiner gezogenen Waffe benötigte.
    »Mist, verdamm mich«, stöhnte der Mann, der sich in den Zug gezogen hatte und hier in sitzender Position sein Schienbein rieb. »Was zum Teufel ist denn nur in Sie gefahren?«
    »Ich … ääh …«
    Ich habe mich geirrt. Ich dachte, Sie wollten mich töten.
    »Es war ein Versehen.« Noah reichte ihm die Hand, die der Mann wütend ausschlug und sich alleine hochrappelte.
    Natürlich hatte er etwas im Ohr. Und natürlich hatte er mit jemandem geredet.
    Aber nicht mit einer Einsatzzentrale. Sondern mit einem Familienmitglied, einem Freund, einer Geliebten oder dem Geschäftspartner, mit dem er gestern etwas zu viel getrunken hatte – mit irgendjemandem, der in der Leitung des Telefongesprächs hing, das der Mann über ein Headset geführt hatte, das im Wesentlichen aus einem kleinen, hochmodernen Bluetooth-Empfänger in seinem Ohr bestand.    
    »Trottel«, sagte der Mann und klopfte sich seinen

Weitere Kostenlose Bücher