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Noah: Thriller (German Edition)

Noah: Thriller (German Edition)

Titel: Noah: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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verstecken.«
    Und plötzlich lachte sein Spiegelbild, und er erkannte die Pässe aus dem Koffer in dessen Hand: »Rom. Amsterdam. Mombasa. Das ist die Rettung!«
    Der letzte Gedanke hallte ihm schon wieder in jener altväterlichen Stimme durch den Kopf, die Noah anscheinend auch im Traum nicht loswurde. Sie überlappte sich mit seiner eigenen:
    »Schnell, bevor …«
    Das Geräusch einer klirrenden Fensterscheibe, begleitet von einem lauten Knall, verschluckte das Ende des Satzes. Roter Sirup trat aus einer winzigen Öffnung in der Schläfe seines Spiegelbilds. Noah sah sich blinzeln, sah seine Hand zum Kopf greifen, sah sich fallen.
    Als er mit einem dumpfen Schlag aufprallte, direkt vor dem lodernden Kamin der Hotelsuite, hörte Noah einen zweiten Schuss. Und der Schmerz des einschlagenden Projektils riss ihn aus dem Schlaf.
    »Kaffee oder Tee?«, fragte Oscar.
    Noah, der noch nicht richtig wach war, grunzte etwas Unverständliches und rieb sich die Schulter. Er hatte große Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten. Das sanfte Schaukeln des Zuges, untermalt von den Fahrgeräuschen, drohte ihn wieder einschlafen zu lassen. Noah dachte an die Sekunden vor dem Aufwachen, wollte den Traum festhalten, bevor er wieder verschwand.
    War das überhaupt ein Traum? Oder eher eine Erinnerung?
    Für eine Erinnerung sprach, dass es den Blutfleck, den der erschossene Mann vor dem Kamin hinterlassen hatte, auch in der Realität gab – er selbst hatte ihn gesehen, vor wenigen Stunden, auf dem hellen Teppich in der Hotelsuite des Adlon. Für einen Traum hingegen sprach, dass Noah sich unmöglich selbst beim Sterben zugesehen haben konnte. Zumal er keine Schusswunde im Kopf, sondern in der Schulter hatte.
    »Komm schon«, drängelte Oscar und beugte sich zu Noah, der ihm gegenübersaß. Der Zug war so leer, dass sie ein Abteil für sich alleine hatten. »Antworte mir. Schnell, ohne nachzudenken. Trinkst du lieber Kaffee oder lieber Tee?«
    »Kaffee«, gähnte Noah. »Was soll …«
    »Im Urlaub: Berge oder Meer?«
    »Ich weiß nicht …«
    »Nicht nachdenken. Einfach antworten. Dalli.«
    »Schön, Meer.«
    Noah ahnte mittlerweile, worauf dieses Spielchen hinauslaufen sollte, hatte er doch ein ähnliches vorhin mit der Reporterin gespielt. Vermutlich war es leichter, sich darauf einzulassen, als mit Oscar über den Sinn und Unsinn dieses Psycho-Tests nachzudenken.
    »Kino oder Theater?«
    »Kino.«
    »Fisch oder Fleisch?«
    »Fleisch.«
    »Beatles oder Stones?«
    »Beatles.«
    »Bier oder Wein?«
    »Weder noch.«
    »Buch oder E-Book?«
    »Buch.«
    »Verheiratet oder Single?«
    Noah hob das Kinn, öffnete den Mund, schließlich zuckte er mit den Achseln. »Keine Ahnung.«
    Oscar verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Verdammt.«
    Noah sparte sich die Bemerkung, er hätte ihm gleich sagen können, dass sich sein Gehirn nicht so einfach würde überlisten lassen.
    Es wird schlimmer, nicht besser.
    Selbst jüngste Erlebnisse verblassten rasch. Er erinnerte sich, dass sie sich nach dem Zwischenfall beim Einsteigen ein Abteil gesucht, zwei Einzelfahrscheine beim Schaffner bar bezahlt und danach die Vorhänge zugezogen hatten – aber das war auch schon alles, was er noch wusste. War er sofort eingeschlafen, oder hatten sie sich zuvor noch unterhalten?
    Keine Ahnung.
    War es Teil des Traums gewesen, dass der Schaffner einen Mundschutz trug und von panikartigen Hamsterkäufen in Hollands Supermärkten erzählte, oder die Realität? Noah konnte es nicht sagen.
    Er beobachtete seinen Begleiter, dessen Haare wie gewohnt zu allen Seiten abstanden, als wäre er selbst gerade nach einer unruhigen Nacht aus den Federn geschreckt.
    Oscar sah aus dem Fenster. Während er die Landschaft an seinen Augen vorbeiziehen ließ, hatte er, vermutlich unbewusst, seine Halskette unter dem Rollkragenpulli hervorgezogen und öffnete immer wieder gedankenverloren den Verschluss des Amuletts, um ihn gleich danach wieder zuschnappen zu lassen.
    Draußen war es längst hell geworden. Ihr Zug donnerte mit unverminderter Geschwindigkeit durch einen kleinen Regionalbahnhof; zu schnell, um den Namen des Ortes auf den Schildern erkennen zu können, aber ein Werbeplakat für eine niederländische Telefongesellschaft verriet, dass sie bereits die Grenze passiert hatten.
    Wie zum Teufel … Er sah auf die Uhr und erschrak.
    »Kurz vor zehn? Mein Gott, wie lange habe ich geschlafen?«
    »Über vier Stunden.« Oscar wandte sich ihm wieder zu.

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