Noah: Thriller (German Edition)
hätten hängen sollen, schlugen von innen gegen die nackte Fahrzeugwand.
»Nennen Sie mir das Ziel«, forderte Noah die Frau auf. Sie schien sich etwas gefangen zu haben, allerdings machte die erzwungene Körperhaltung es ihr schwer, gelassen zu wirken. Die Ketten waren so kurz, dass ihre darin gefesselten Hände neben ihrem Kopf hingen.
»Was wollen Sie tun, Rambo? Mich erschießen, wenn ich es Ihnen nicht sage?«
Die Sitzbänke in dem Transporter standen sich so dicht gegenüber, dass Noah sich nur leicht nach vorne beugen musste, um die Frau filzen zu können.
Ihr Körper unter der Daunenjacke fühlte sich knochig an. Die Brüste, die sie sich, ohne mit der Wimper zu zucken, abtasten ließ, waren unnatürlich fest und vermutlich chirurgisch vergrößert. Außer dem Handy, mit dem sie die Verbindung zu Celine hergestellt hatte, trug sie nichts bei sich. Keine Waffen. Keine persönlichen Gegenstände, die einen Rückschluss auf ihre Identität erlaubt hätten.
Noah griff sich die Maschinenpistole, die er für einen Moment auf der Bank abgelegt hatte, und setzte ihren Lauf direkt auf dem Knie der Frau an. »Wer sind Sie?«
»Celine nennt mich Amber, offenbar erinnere ich sie an eine ehemalige Schulfreundin. Sie können den Namen gerne benutzen, er ist so gut wie jeder andere.«
Der Wagen wurde langsamer. Noah blickte nach vorne und sah, dass der unbefestigte Weg an einer Baugrube vorbeiführte.
»Also schön. Wenn Sie auch meine nächste Frage so unzureichend beantworten, Amber , werde ich Ihnen ins Knie schießen.«
»Was wollen Sie denn wissen?«
»Fangen wir an: Für wen arbeiten Sie? Die Bilderberger? Room 17?«
Interesse flackerte in ihrem Blick auf. »Ist es das, woran Sie sich erinnern?«
»Oscar hat mir davon erzählt.«
»Dann darf ich es nicht kommentieren.«
Noah schoss.
Nicht ins Knie. Das hätte ihm kaum noch Steigerungsmöglichkeiten für die Folter gelassen. Vorerst hatte er sich damit begnügt, Amber durch den Stöckelschuh hindurch den kleinen Zeh zu zertrümmern.
Minimale Einwirkung. Maximaler Effekt.
Ambers Augen drohten aus ihren Höhlen zu springen, als der Schmerz wie eine Säurewelle durch ihren Körper spülte. Sie schrie. Genauso wie Oscar, der dabei in die Bremse stieg, während Amber sich in den Ketten aufbäumte. Und jämmerlich brüllte.
»Was hast du getan?«, rief Oscar erschüttert. In seinem Blick lag etwas weitaus Schwergewichtigeres als pures Entsetzen: Abscheu.
Ich habe keine Zeit verloren.
»Fahr weiter!«, brüllte Noah zurück. Er musste selbst schreien, weil er anders das waidwunde Gejaule von Amber nicht hätte übertönen können, das noch lauter wurde, als er ihr den Schuh abstreifte.
»Wie konntest du nur …?«
Auf eine Frau schießen, die vor drei Minuten noch deinen Tod befohlen hat?
Noah ging nicht auf Oscars Vorwürfe ein. Er musste sich voll und ganz auf das Objekt der Befragung konzentrieren.
»Also, noch mal von vorne«, sagte er, als Ambers Schmerzensschreie in ein albtraumhaftes, ersticktes Wimmern übergegangen waren. »Für wen arbeiten Sie?«
»Dasch, dasch …« Ihr Mund hatte sich mit Speichel gefüllt, die S-Laute zischten beim Sprechen. »Isch kann esch nicht schagen.«
Die Qualen, die sie litt, verzerrten ihr schönes Gesicht zu einer hässlichen Fratze. Schweiß trat ihr auf die Stirn. Offenbar traute sie sich nicht, den verletzten Fuß abzustellen, nicht einmal mit dem Hacken. Blut rann von ihm auf den Blechboden des Kastenwagens.
»Nun fahr endlich weiter«, brüllte er Oscar an, der schließlich gehorchte, wenn auch nur unter Protest.
»Du bist verrückt. Du bist komplett verrückt geworden.«
S agt mir der Mann, der in einem U-Bahn-Tunnel lebt.
Immerhin schien der Schuss den Schleier der Trance zerrissen zu haben, in den Oscar bis eben noch gehüllt gewesen war. Seine Haltung war nicht mehr gleichgültig, seine Stimme nicht länger emotionslos. Ganz im Gegenteil: Er war wütend, was sich auf seinen Fahrstil übertrug. Der Wagen schaukelte noch mehr wegen der jetzt deutlich höheren Geschwindigkeit.
»Und ich muss auch verrückt geworden sein!«
Noah drehte sich zu Amber, hob den Zeigefinger und führte ihn gefährlich nah an ihren nicht mehr vorhandenen kleinen Zeh.
»Nischt!«, schrie sie und versuchte das Bein zurückzuziehen.
»Dann sagen Sie mir, wer ich bin und was Sie von mir wollen.«
Noah ließ den Finger drohend in der Luft hängen.
»Dasch …« Sie schluckte, dann sprach sie wieder verständlicher,
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