Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders
beweisen, dass sie doch nicht alles über mich weiß. Von meinem ersten Flaschendrehen-Geburtstagsparty-Kuss mit Cody bis zum letzten, bitteren Abschieds- und Schluss-Kuss mit Kyle war Joni immer diejenige, mit der ich alle meine Erlebnisse geteilt habe. Deshalb überrascht es mich nicht wirklich, dass sie mich das jetzt am Telefon fragt, knapp eine Viertelstunde, nachdem ich von Noah nach Hause gekommen bin.
» Das geht dich nichts an«, sage ich.
» Ist das ein ›Das geht dich nichts an ‹ -Ja oder ein ›Das geht dich nichts an ‹ -Nein?«
» Ich hab keine Lust, drüber zu reden.«
» Also nein.«
Ich weiß nicht, wie ich es ihr erklären soll. Nicht dass ich nicht Lust gehabt hätte, Noah zu küssen. Und ich glaube, er wollte mich auch küssen. Aber wir haben den Augenblick in gemeinsamem Schweigen verstreichen lassen. Die Hoffnung auf einen Kuss wird uns einander näherbringen.
Weil ich nichts mehr sage, lässt Joni das Thema fallen. Aber ich bin dann doch ziemlich verblüfft, als sie stattdessen zu Kyle überwechselt.
» Hat Kyle mit dir gesprochen?«, fragt sie in einem Tonfall, der klarmacht, dass Kyle mit ihr gesprochen hat.
» Zählt im Schulflur Hallo sagen auch?«
» Na ja, immerhin ein erster Schritt.«
Joni hat Kyle immer gemocht. Sie mochte seine Verwirrung, seine Verwundbarkeit, sein verwundertes Staunen, seinen Ernst und seine Aufrichtigkeit… alles, was auch ich an ihm mochte. Als sich das alles dann gegen mich richtete, war Joni fast genauso verletzt wie ich. Sie hatte ihm vertraut, sie war davon überzeugt gewesen, dass er es ernst mit mir meinte. Er hat uns beide verraten und enttäuscht.
Trotzdem ist Joni schneller darüber hinweggekommen als ich. Vermutlich weil sie die Kränkung nicht am eigenen Leib erfahren hat. Als Kyle sich dann auf das Hetero-Ding herausgeredet hat, war sie bereit, ihm das zu glauben. Und er fing dann ja auch an, sich mit Mädchen zu treffen– aber die Beziehungen dauerten nie länger als ein paar Wochen. Und wenn er mit ihnen Schluss gemacht hatte, blieben sie nie gute Freunde.
» Ich glaube, er will mit dir reden. Nein, stimmt nicht: Ich weiß, dass er mit dir reden will.«
» Und hast du eine Ahnung, worüber?«
» Ich glaub, es geht ihm nicht gut«, sagt Joni.
Ich frage mich, was Es geht ihm nicht gut in diesem Fall wohl bedeutet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dasselbe Nicht-gut-Gehen ist, wie wenn dein Freund, dem du deinen absoluten Lieblingspulli geliehen hast, diesen Pulli auch dann anhat, wenn er dir erklärt, dass er nur noch genervt ist von dir; und wenn er diesen Pulli dann auch noch eine Woche später anhat, als er im Schulflur an dir vorbeigeht und so tut, als wärst du Luft, während er mit dem Mädchen flirtet, das schon eure ganze Beziehung durch hinter ihm her gewesen ist. Es kann nicht dasselbe Nicht-gut-Gehen sein, wie wenn du weißt, dass dieser Pulli– der Pulli, der von allen deinen Pullis am besten zu deiner Augenfarbe gepasst hat, in dem du dich von allen deinen Pullis am wohlsten gefühlt hast–, dass dieser Pulli jetzt wahrscheinlich tief unten in seinem Schrank begraben ist, wo sein weiteres Schicksal keinen mehr kümmert. Oder vielleicht ist er sogar schon an irgendjemand anders weiterverschenkt worden, dem Kyle auch erzählt hat, dass er ihn liebt.
Vielleicht ist meine Rachsucht ja schwächer geworden, denn ich möchte eigentlich nicht, dass es Kyle so schlecht geht, wie ich mich da gefühlt habe. Ich erinnere mich, dass ich ihn vor ein paar Tagen gesehen habe– ich habe die Einsamkeit in seinen Augen gesehen und ich habe ihn durch die Schulflure schleichen sehen, mit zögernden, unsicheren Schritten.
Seit er mich so behandelt, als wäre ich Luft, habe ich mir tausendmal gewünscht, dass auch er sich einfach in Luft auflöst. Jetzt habe ich das Gefühl, als hätte sich mein Wunsch zur Hälfte erfüllt. Seine Seele hat sich verflüchtigt. Nur sein Körper ist noch anwesend.
» Was treibt er denn so?«, frage ich, nur um was zu fragen.
» Keine Ahnung, ich glaub, nicht viel. Aber er hat jetzt einen Kater.«
» Einen Kater?« Ich weiß, dass Kyle Haustiere hasst.
» Ja, er ist ihm zugelaufen.«
» Wie ironisch«, sage ich, obwohl Kyle zu den wenigen an unserer Schule gehört, für die Ironie buchstäblich ein Fremdwort ist.
» Chuck hat auch einen Kater«, erwähnt Joni wie nebenbei.
Wodurch sie mir zu verstehen gibt, dass sie jetzt lieber über Chuck reden will.
Ich wappne mich.
» Wirklich, er ist
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