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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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mich ermahnt, sehr vorsichtig zu sein.«
    Nachdenklich reichte ihm Ori die Pässe zurück.
    Hiraga steckte sie in seinen Ärmel. »Gute Nacht, Ori.«
    »Ja, gute Nacht, Hiraga-san.« Ori musterte ihn mit seltsamem Blick. »Ich möchte wissen, wo die Frau wohnt.«
    Hiragas Augen wurden schmal. »Ach ja?«
    »Ja. Ich möchte es wissen. Genau.«
    »Ich könnte es vermutlich rausfinden. Und dann?«
    Das Schweigen verdichtete sich. Ich bin mir heute abend nicht sicher, dachte Ori, ich wünschte, ich wäre es, aber jedesmal, wenn ich meine Gedanken schweifen lasse, kommt die Erinnerung an jene Nacht zurück und an meine endlose Ekstase mit ihr. Wenn ich sie umgebracht hätte, wäre es damit zu Ende gewesen, doch da ich weiß, daß sie noch lebt, verfolgt sie mich. Es ist dumm, aber ich bin verhext. Sie ist böse, abscheulich, das ist mir klar, aber ich bin trotzdem verhext und ganz sicher, daß sie mich verfolgen wird, solange sie lebt.
    »Und dann?« wiederholte Hiraga seine Frage.
    Ori ließ sich seine Gedanken nicht anmerken. Er erwiderte seinen Blick offen und zuckte die Achseln.

20
    Mittwoch, 17. Oktober
    André Poncin riß die Augen auf. »Sie sind schwanger?«
    »Ja«, bestätigte sie leise. »Es ist, wissen Sie…«
    »Aber das ist ja wundervoll! Das macht alles endgültig perfekt!« platzte er heraus, als sein Schock sich in einem breiten Grinsen auflöste, weil Struan, der britische Gentleman, einer unschuldigen Dame Unrecht zugefügt hatte und nun einer baldigen Heirat nicht mehr aus dem Weg gehen konnte, wenn er ein Gentleman bleiben wollte. »Darf ich Ihnen gratulieren, Madam…«
    »Still, André, das dürfen Sie nicht! Und bitte nicht so laut, die Wände haben Ohren, besonders in den Gesandtschaften, nicht wahr?« flüsterte sie außer sich und staunte darüber, daß ihre Stimme so ruhig blieb, daß sie sich so ruhig fühlte und es ihm so gelassen mitteilen konnte. »Denn wissen Sie, der Vater ist leider nicht M’sieur Struan.«
    Sein Lächeln erstarb; dann kehrte es zurück. »Sie scherzen natürlich, aber warum dieser…«
    »Bitte, hören Sie einfach zu!« Angélique rückte ihren Sessel näher. »Ich wurde in Kanagawa vergewaltigt…«
    Offenen Mundes starrte er sie an, während sie ihm erzählte, was ihr nach ihrer Meinung zugestoßen war, was sie beschlossen und wie sie seither ihre Angst verborgen hatte.
    »Großer Gott, arme Angélique, Sie Ärmste, wie fürchterlich für Sie.« Mehr brachte er vor Schreck nicht heraus, während für ihn ein weiteres Puzzleteil an seinen Platz fiel. Sir William, Seratard und Struan hatten beschlossen, so wenige Personen wie möglich von Dr. Hoags Operation in Kanagawa zu informieren und die Nachricht vor allem vor Angélique geheimzuhalten, und auch beide Ärzte hielten das medizinisch für geraten. »Warum sie unnötig aufregen? Sie ist seit der Tokaidō-Sache nervös genug.«
    Kein Grund, ihr jetzt davon zu erzählen, dachte André beunruhigt, und die Ironie erschütterte ihn zutiefst.
    Er nahm ihre Hand und streichelte sie, zwang sich, die eigenen Probleme zurückzustellen und sich ganz auf sie zu konzentrieren. Wie sie da neben ihm in seinem Büro saß, ernst, bescheiden und mit klaren Augen, die personifizierte Unschuld und wenige Stunden zuvor noch die Königin des schönsten Balls, den Yokohama jemals gesehen hatte – all das verlieh ihrer Geschichte den Anschein absoluter Unwirklichkeit. »Ist das tatsächlich geschehen? Wirklich?«
    Sie hob die Hand, als wolle sie einen Eid leisten. »Ich schwöre es, bei Gott.« Nun faltete sie die Hände auf ihrem Schoß. Blaßgelbes Tageskleid mit Reifrock, orangefarben das winzige Häubchen und der Sonnenschirm.
    Verunsichert schüttelte er den Kopf. »Hört sich unmöglich an.«
    Er war schon in viele Mann-Frau-Tragödien verwickelt gewesen. In manche war er von Vorgesetzten hineinmanövriert worden, in einige hineingestolpert, viele hatte er ausgelöst und fast alle, wenn nicht überhaupt alle, hatte er zum Besten seiner Sache benutzt: für Frankreich und natürlich, zuallererst, für sich selbst.
    Warum nicht, dachte er. Was hat Frankreich für mich getan, was wird es für mich tun? Gar nichts. Aber diese Angélique wird entweder jeden Moment zusammenbrechen, oder sie ist wie diese Frauen, die, böse geboren, die Wahrheit geschickt für ihre eigenen Zwecke zurechtbiegen, oder wie jene, die, durch Angst und Schrecken über die Grenze gestoßen, weit über ihr Alter hinaus berechnend und kaltblütig wurden. »Wie

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