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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Wertes. Aber obwohl das noch immer fünfmal soviel war wie der Preis, den sie vereinbart hatten, gab er ihn der nackten Frau. Ihre Augen leuchteten auf, sie knickste höflich und murmelte immer wieder demütige Dankesworte. »Sie sind ein echter Gent, ta, Liebchen.«
    Zerstreut sah er zu, wie sie in ihr zerlumptes Kleid schlüpfte, fragte sich, warum er hier war, fühlte sich abgestoßen von diesem Zimmer, von dem Bett, dem Haus, der Umgebung und dem bleichen, knochigen Gai-Jin-Körper mit den schlaffen Hinterbacken, der, wie er sich vorgestellt hatte, das Feuer dämpfen würde, das in ihm tobte und ihn wahnsinnig machte, der es aber nur verschlimmert hatte, weil er überhaupt nicht mit ihr zu vergleichen war.
    Die Frau schenkte ihm jetzt keine Beachtung mehr. Sie hatte ihre Arbeit getan, blieben nur noch der übliche gemurmelte Dank und ein paar Lügen über seine Qualitäten – in diesem Fall allerdings keine Lügen, denn was seinem Organ an Größe fehlte, machte er mit Kraft und Energie wieder wett –, dann konnte sie gehen und ihren neu erworbenen Reichtum behalten. Das Kleid hing ihr von den mageren, nackten Schultern und schleifte über den fadenscheinigen Teppich, der einen Teil der rohen Holzdielen bedeckte. Ein zerrissener Unterrock, kein Höschen. Strähniges, bräunliches Haar und dick aufgelegtes Rouge. Sie sah aus wie vierzig, war aber erst neunzehn, ein Gossenkind, in Hongkong von unbekannten Eltern geboren und vor acht Jahren von ihrer Pflegemutter an ein Wanchai-Haus verkauft. »Soll ich morgen wiederkommen? Morgen?«
    Er zuckte die Achseln und zeigte zur Tür; sein verwundeter Arm war so gut geheilt, wie es nur möglich war; er würde zwar nie wieder so flink mit einem Schwert umgehen können wie früher, doch immerhin gut genug, um gegen einen durchschnittlichen Schwertkämpfer zu siegen, und gut genug mit einer Pistole. Seine Derringer lag auf dem Tisch in Reichweite.
    Die Frau zeigte ein gezwungenes Lächeln und zog sich, Dankesworte murmelnd, vorsichtig zurück – erleichtert, daß sie keine Schläge oder andere widerliche Praktiken hatte über sich ergehen lassen müssen. »Keine Sorge, Genty«, hatte ihre Madam zu ihr gesagt, »Chinesen sind genau wie die anderen, manchmal ‘n bißchen wählerisch, aber dieser Kerl da ist stinkreich, also gib ihm, was er will, und gib’s ihm schnell, er ist so reich, also gib’s ihm ordentlich.« Sie hatte kaum etwas anderes tun müssen, als sein hektisches Stoßen mit stoischer Ruhe und den erforderlichen Geräuschen vorgetäuschter Lust hinzunehmen.
    »Na dann, Süßer.« Sie ging hinaus, den Mex in ihrem verschmutzten Leibchen versteckt, das die schlaffen Brüste bedeckte, eine andere Münze, ein Zwanzigstel im Wert, in einer Hand.
    An der Treppe draußen wartete Timee, ein grober eurasischer Seemann gemischter, hauptsächlich aber chinesischer Abstammung. Er drückte die Tür zu und packte sie. »Halt die Schnauze, du dreckige Hure«, zischte er, zwang sie, die Hand zu öffnen, nahm die Münze und begann sie auf chinesisch und in gutturalem Englisch wegen ihres armseligen Lohnes zu beschimpfen: »Ayee-yah, warum hast du den Kerl nicht zufriedengestellt?« Dann versetzte er ihr eine Ohrfeige, daß sie die Treppe halb hinabstolperte, halb hinabfiel. Als sie jedoch unten ankam, wandte sie sich noch einmal um und beschimpfte ihn noch unflätiger. »Ich werd meiner Ma Fotheringill von dir erzählen, die wird’s dir schon zeigen!«
    Timee spie hinter ihr her, klopfte an und öffnete die Tür. »Musume gutt, Herr, heya?« fragte er servil.
    Inzwischen saß Ori an einem alten Tisch vor dem Fenster. Er trug ein grobes Hemd und Kniehosen und im Gürtel ein Kurzschwert. Der Geldbeutel lag auf dem Tisch. Ihm entging nicht, wie fasziniert der andere darauf hinabstarrte. Achtlos nahm er einen weiteren Mex und warf ihn dem breitschultrigen Mann zu. Der fing ihn geschickt, berührte seine Stirn und grinste mit wenigen abgebrochenen und gelblichen Zähnen. »Danke, Guv. Essen?« Er rieb sich den dicken Bauch. »Essen, wakarimasu ka?« Ihre Gespräche bestanden aus Zeichensprache und ein wenig Pidgin, und er war der Chef der Leibwächter. Ein anderer wartete unten in der Bar. Ein dritter auf der Gasse.
    Ori schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er, eines der Wörter, die er aufgegriffen hatte; dann setzte er hinzu: »Bier-u«, und bedeutete ihm zu gehen. Endlich allein, starrte er blicklos zum Fenster hinaus. Das Glas war gesprungen und mit Fliegendreck übersät,

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