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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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wäre das andere nie geschehen. Wieder einmal begann das Zimmer zu schwimmen und ihn zu erdrücken; also schwang er die Füße aus dem Bett, steckte die Derringer ein, zog eine Lederweste über und ging hinunter.
    »Guv?« Hustend löste sich Timee von einem Teller Eintopf, um ihn zu begleiten, aber Ori bedeutete ihm und dem anderen Mann, das Zimmer oben zu bewachen, und verließ das Haus.
    Hiraga, der auf der anderen Seite der belebten, schmutzigen Straße vor einer schäbigen Bar auf einer Bank saß, entdeckte ihn sofort. Vor ihm stand ein unberührter Humpen Bier, und er war umgeben von lärmenden Männern, die tranken, standen, sturzbetrunken auf Bänken lagen oder auf dem Weg zu ihren Schlafstätten, Herbergen, Lieblingsbars oder den Spielhöllen waren, die hier im Slum nicht weniger zählten als in London. Die Männer waren ein buntes Gemisch aus europäischen, asiatischen und gemischtrassigen Arbeitern, bewaffnet mit mindestens einem Messer und ganz ähnlich gekleidet wie er. Sie kamen von des Tages Arbeit in der Segelmacherwerkstatt, beim Schiffslieferanten, als Mechaniker in den Maschinenfabriken, ein ganz neuer Beruf, oder aus irgendeiner der Dutzenden von Werkstätten, die mit der Schiffahrt zu tun hatten. Außer Herumtreibern und Bettlern gab es Bäcker, Schlachter, Brauer, Geldverleiher und andere, die diesen Teil von Yokohama belieferten oder von ihm lebten, der, im gegenseitigen Einverständnis, vom Dorf und von ›Nob Town‹, wie sie das Viertel der Händler nannten, abgegrenzt war.
    »In Drunk Town«, hatte ihm Tyrer erklärt, »gibt es vielleicht einhundertfünfzig Seelen, die meisten sind Vagabunden. Es gibt nur wenige Vorschriften. Da heißt es, jeder für sich, aber wehe dem, der beim Stehlen erwischt wird, der Mob würde ihn sofort halb totprügeln. Es gibt dort keine Polizei, nur Army- und Navy-Patrouillen, die nach Deserteuren fahnden oder ganz einfach versuchen, den Frieden zwischen den Waffengattungen zu wahren, Schlägereien und Rebellionen zu beenden. Die Bier- und Ginhäuser – Gin ist ein Fusel, der Sie umbringt, wenn Sie nicht aufpassen – sind offen, solange es Kunden gibt, die Spielhöllen ebenfalls. Wagen Sie sich auf gar keinen Fall da hinein, auch nicht zu Ma Fotheringill, die haßt euch Japaner wegen eurer Billig-Yoshiwara – Gott segne sie! Am anderen Ende, beim Südtor neben der Hog Lane, liegt der schlimmste Teil von Drunk Town. Ich selbst bin noch nicht dort gewesen, und Sie sollten sich auch von dort fernhalten, denn da versuchen die Verderbtesten und Verlorenen zu überleben. Opium, Bettler, Abschaum, männliche Prostituierte. Schlachthaus. Friedhof. Krankheiten. Und ganze Heere von Ratten…«
    Das wenige, was Hiraga verstand, hatte in ihm den Wunsch geweckt, das alles mit eigenen Augen zu sehen. Heute abend hatte er zum erstenmal Gelegenheit dazu. Bis auf einige hingeworfene Flüche, die auf jeden paßten, hatte niemand ihn belästigt, während er Ori im gerade noch ausreichenden Licht des dunkelnden Himmels mühelos folgte.
    Sein Opfer näherte sich auf Umwegen der Küste – scheinbar ziellos und ohne die Leibwächter, vor denen man Hiraga gewarnt hatte. Seine Erregung wuchs. Der Revolver in seiner Tasche fühlte sich gut an. Seine Finger sehnten sich danach, ihn zu packen, zu zielen und abzudrücken, um dieser Bedrohung seiner Zukunft hier und jetzt ein Ende zu machen. Und dann ein kontrollierter Rückzug durchs Niemandsland oder am Strand entlang bis zur Gesandtschaft.
    Jetzt näherten sie sich dem kleinen Platz an der Promenade und der Küste, wo die besten Bars, Restaurants und Pensionen um Kunden wetteiferten. Dies war das letzte Ende der Niederlassung, der schmalste Teil, eingezwängt zwischen dem Meer und dem umgebenden Zaun. Genau wie beim Nordtor war der Zaun stark und hoch und reichte bis in die Brandung hinein. Die einzige Öffnung war das verbarrikadierte Südtor.
    Der Platz war überfüllt. Zumeist britische Soldaten, Seeleute und Handelsmatrosen mit ein paar Franzosen, Amerikanern, Russen und Einheimischen dazwischen. Ori drängte sich durch die Menge, bis er das Ende der Promenade erreichte. Er blickte aufs Meer hinaus. Die See hatte eine meterhohe Dünung und war schwarz und ölig. Nordwärts, eine halbe Meile entfernt, sah er in den Handelshäusern und in der französischen Gesandtschaft die Lichter angehen. Und im oberen Stock von Struan’s, dem Gebäude, das mit dem von Brock zusammen den Hafen beherrschte.
    Heute? Soll ich’s heute

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