Noble House 02 - Gai-Jin
eingetroffen, von einem schläfrigen Diener aus seinem Dorfversteck gerufen. Außer ein paar Küchengehilfen, die die Feuer unterhielten, war niemand in der Nähe. Raiko und ihre Damen schliefen noch – wenige würden vor Mittag aufstehen. »Das würde sie verrückt machen, aber laß mich zuerst berichten, was ich hier erreicht habe, und…«
»Später, zuerst müssen wir einen Plan machen. Eine Kirche? Interessante Idee«, sagte Katsumata. Sein Gesicht war kalt und hart, und er hatte eine andere Verkleidung gewählt als vor ein paar Tagen in Hodogaya.
Jetzt trat er als Bonze auf, als buddhistischer Priester, kahlgeschoren bis auf einen Schnurrbart. Dazu trug er das traditionelle orangefarbene Gewand, Sandalen und einen Gürtel aus Gebetsperlen. Sein Langschwert lag neben ihm auf den Futons, und die mon, die fünf Insignien auf seiner Robe, verkündeten, daß er Mitglied eines militanten Mönchsordens war.
Diese militanten Orden bestanden aus Samurai, die zeitweilig oder auf Dauer ihren Samurai-Status aufgegeben hatten, um Buddha zu dienen, zu predigen, über Land zu ziehen und gute Werke zu tun, einzeln oder in Gruppen, um Räuber und Banditen zu läutern und die Armen vor den Reichen und die Reichen vor den Armen zu schützen. Die Bakufu und die meisten Daimyos duldeten sie, solange ihre Gewalttätigkeit sich in Grenzen hielt.
Gestern abend in der Dämmerung hatte er mühelos die Sperre passiert; seine falschen Papiere waren perfekt. Er kam unangemeldet und erhielt sofort von Raiko das beste verfügbare Haus, denn im Gegensatz zu den anderen Shishi entstammte er einer reichen Familie und trug immer zahlreiche Gold-Oban bei sich.
»Eine Kirche«, wiederholte er und genoß diese Vorstellung. »Darauf wäre ich nicht gekommen – wir würden eine Botschaft hinterlassen, die besagt, es sei im Auftrag von Yoshi, taikō Anjo und den roju geschehen, als Warnung für sie, damit sie unsere Ufer verlassen. Wir müssen uns unbedingt an Yoshi rächen.« Ein Schaumflöckchen bildete sich in seinem Mundwinkel, und er wischte es ärgerlich ab. »Yoshi ist der Erzfeind. Einer von uns muß gegen ihn aufstehen, er hat in Kyōto zu viele von unseren Kämpfern getötet, einige sogar persönlich erschossen. Wenn ich ihm einen Hinterhalt legen könnte, würde ich es tun. Aber auch das erst später. Also wird die Kirche verbrannt. Gut.«
Hiraga war verwirrt, fand Katsumata äußerst seltsam und sehr verändert; er benahm sich, als sei er ein Daimyo und Hiraga einer seiner Goshi, die er nach Belieben herumkommandieren konnte. Ich bin Führer der Shishi von Choshu, dachte er noch erzürnter, kein Schüler, der unter dem Befehl eines Satsuma-Sensei steht. »Das würde ganz Yokohama in ein Hornissennest verwandeln. Ich würde fliehen müssen, was im Augenblick schlecht wäre, denn meine Arbeit ist wichtig für unsere Sache. Die Situation hier ist sehr heikel, Sensei. Ich bin auch der Meinung, daß wir planen müssen, beispielsweise, wohin wir fliehen, falls wir entkommen wollen.«
»Edo.« Katsumata starrte ihn an. »Was ist wichtiger, sonno-joi oder deine sichere Zuflucht vor feindlichen Gai-Jin?«
»Sonno-joi«, sagte er, ohne zu zögern. »Aber es ist wichtig, daß wir erfahren, was sie wissen. Seinen Feind zu kennen wie…«
»Wir brauchen keine Zitate, Hiraga, wir müssen handeln. Wir verlieren den Kampf, Yoshi gewinnt. Wir haben nur eine Lösung – diese Gai-Jin gegen die Bakufu und das Shōgunat aufzubringen, das wird sonno-joi voranbringen und hat deshalb Vorrang vor allem anderen. Das haben wir verzweifelt nötig, dann werden sich die Kämpfer wieder um unsere Fahne scharen; inzwischen sammelt sich die Speerspitze der Shishi hier und in Kyōto neu, ich werde Verstärkung aus Satsuma und Choshu rufen, und wir werden erneut die Tore angreifen, um den Kaiser zu befreien. Diesmal werden wir Erfolg haben, weil Ogama, Yoshi und das stinkende Shōgunat abgelenkt sein werden durch ihre Händel mit feindlichen Gai-Jin. Wenn wir erst mal die Tore haben, ist sonno-joi eine Tatsache.« Er strahlte Zuversicht aus.
»Und wenn wir die Gai-Jin reizen, was dann, Sensei?«
»Sie beschießen Edo, das Shōgunat übt Vergeltung, indem es Yokohama angreift – beide verlieren.«
»Inzwischen werden alle Daimyos sich sammeln, um das Shōgunat zu unterstützen, wenn die Gai-Jin zurückkommen, was sie bestimmt tun werden.«
»Sie werden nicht vor dem Vierten oder Fünften Monat zurückkommen, falls überhaupt. Vorher werden wir die Tore
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