Noch ein Kuss
könnten, um sich zu revanchieren.«
»Und das wäre?«
»Tun Sie meiner Tochter nicht weh.« Roger zog sich wieder hinter seinen Schreibtisch zurück und ließ sich in seinen Stuhl fallen.
Verlegen trat Mike von einem Fuß auf den andern. »Carly und ich sind befreundet, und ich denke, gerade jetzt könnte sie einen Freund brauchen.« Mike wollte nicht, dass Carlys Vater glaubte, er hätte weiterreichende Pläne in Bezug auf seine Tochter. Er kümmerte sich nur um sie, um ihr über eine schlechte Zeit in ihrem Leben hinwegzuhelfen, nicht um später dazuzugehören, auch wenn sein Magen sich bei dem Gedanken schmerzhaft verdrehte.
»Da haben Sie wohl recht. Und von mir und ihrer Mutter will sie keinen Trost annehmen. Ich bin froh, dass jemand anders sie gern genug hat, um für sie da zu sein.«
Nachdem Mike sich noch etwas länger mit Roger unterhalten hatte, wobei Carlys Vater ihm weitere Informationen über den Strand gab, stand er auf, schüttelte Rogers Hand und verließ das Büro.
Im Flur blieb er stehen und überlegte, ob er auch mit seinem Bruder reden sollte. Doch seine Wut war noch nicht verraucht. Eine Aussprache hätte die Kluft zwischen ihnen nur weiter vertieft. Er würde sich Peter vorknöpfen, bevor er die Staaten verließ, aber nicht jetzt.
Auf dem Weg zu den Aufzügen merkte er, dass Rogers Worte schwer auf ihm lasteten. Carlys Vater vertraute ihm – trotz allem, was sein Bruder getan hatte. Der Mann vertraute ihm seine einzige Tochter an.
Aber Mike konnte diesem Vertrauen nicht gerecht werden. Jedenfalls nicht ganz. Denn obwohl er Carlys Nähe suchte, um ihr durch schwierige Zeiten zu helfen, wusste er, dass er auf lange Sicht nicht für sie da sein konnte und wollte.
Kapitel 7
Carly schloss die Hintertür des peinlich sauberen Strandhauses auf. Nichts hatte sich hier verändert, seit ihre Eltern es vor über zehn Jahren gekauft hatten. Die weißen Küchenschränke mit den kornblumenblauen Zierleisten ließen es wie ein fröhliches Zuhause wirken. Doch da Carly mit dem Wissen aufgewachsen war, dass die Ehe ihrer Eltern eine Farce war, hatte sie diesen Raum deprimierend gefunden.
Heute jedoch erschien er ihr anders. Dabei hatte das Haus sich nicht verändert. Aber sie vielleicht? Da dieser Urlaub der Selbsterkenntnis dienen sollte, würde sie es wohl bald herausfinden. Carly hatte dafür gesorgt, dass die Verlobung gelöst, die Geschenke zurückgegeben und Freunde und Verwandte informiert wurden, ehe sie sich auf den Weg zur Hochzeit machten, sodass sie mit einer positiven Grundstimmung anreisen konnte. Die luftige Küche mit dem leuchtenden Dekor gefiel ihr wirklich. Das Klingeln des Telefons unterbrach ihr Grübeln.
Die Stimme ihrer Mutter begrüßte sie. »Ich wollte mich nur vergewissern, dass du gut angekommen bist.«
»Alles in Ordnung, Mom. Ich bin erst seit ein paar Minuten da.«
Der Telefonanruf kam eigentlich nicht überraschend, trotzdem wunderte Carly sich. Immerhin war es schon eine Weile her, dass sie sich mit einem Problem an ihre Mutter gewandt hatte. Erst da fiel ihr auf, dass ihre Mutter nie aufgehört hatte, ihre Hilfe anzubieten. Carly dagegen hatte aufgehört, irgendetwas von Anne anzunehmen. Das war ein weiteres Problem, das sie in diesen einsamen Ferien lösen musste.
»Ja, ich bin sicher. Mir geht’s gut. Ja, er hat angeboten, für alles, was mit der Hochzeit zusammenhängt, aufzukommen, aber ich habe ihm den Laufpass gegeben, deshalb möchte ich meinen Teil beisteuern.« Sie und Peter hatten über Anrufbeantworter miteinander kommuniziert und es irgendwie fertiggebracht, sämtliche Vorbereitungen zu stoppen.
Die Erwiderung ihrer Mutter gewährte Carly einen weiteren Einblick in die Art und Weise, wie Anne Wexler mit dem Leben umging: Immer schön lächeln und durchhalten. »Ja, ich weiß, dass die Leute in Dads Büro darüber reden. Ich habe nichts anderes erwartet. Klatsch lässt sich nicht unterdrücken. Aber ich mache mir nichts draus, wirklich, und das solltest du auch nicht. Oder wäre es dir lieber, wenn ich die Sache durchgezogen hätte und für den Rest meines Lebens unglücklich gewesen wäre?«
»Es tut mir leid, Mom. Ehrlich. Können wir das Thema nicht einfach fallenlassen? Nett, dass du dich nach mir erkundigt hast, in ein paar Tagen rufe ich dich wieder an.«
Es läutete an der Vordertür. »Ich muss aufhören. Melde mich bald wieder. Tschüs.«
Erst nachdem Carly aufgelegt hatte, bemerkte sie, dass ihr der Kopf dröhnte. »Bin gleich da«,
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