Noch ein Kuss
Strandhaus eingesperrt war.
Sie schüttelte den Kopf. »Die Rückfahrt sollte nicht allzu schlimm werden. Der Hauptverkehr geht in die andere Richtung.«
Mike zog eine Augenbraue in die Höhe. »Das kann ich nicht machen. Ich habe dir doch gesagt, dass ich zum Arbeiten hier bin.«
»Und wo willst du schlafen? In deinem Wagen?« Carly befühlte ihre Ponyfransen. Sie waren noch nicht ganz durchnässt, aber auf dem besten Wege dahin.
»Ich schaffe das schon irgendwie.« Mike betrachtete sie mit diesem hypnotischen Blick, bei dem sie immer das Gefühl hatte, er könne ihre Gedanken lesen und in ihr Herz schauen. Nein, sie wollte nicht, dass er in ihr Haus kam. Und schon gar nicht, dass er Tür an Tür mit ihr schlief. Wie konnte sie das zulassen, nachdem feststand, dass sie sich selbst nicht trauen konnte, wenn er in der Nähe war? Oder besser, der lüsternen Person, zu der sie dann wurde.
»Wie denn?«, fragte sie.
Mike antwortete nicht. Er wusste nicht genau, was er tun sollte. Aber auf keinen Fall konnte er bleiben und Carly noch mehr quälen, als sie es selber tat. Weiter als daran, ein Auto zu mieten und hinter ihr herzufahren, hatte er nicht gedacht. Von überfüllten Hotels hatte Roger nichts gesagt. Wenn Mike nachgedacht hätte, wäre er wohl von allein darauf gekommen. Aber das war ja gerade das Problem. Da seine Gedanken um Carly kreisten, war alles andere ausgeblendet.
Mike griff nach ihrer Hand. »Du passt auf dich auf, versprochen?« Er drückte einmal kurz zu, ließ Carlys Hand wieder los und stieg die Stufen hinunter, die zum Strand führten.
»Mike, warte.«
Er drehte sich um.
»Was ist?«
»Komm zurück. Bitte. Ich schulde dir eine Erklärung.«
Mike kehrte wieder zu Carly zurück. Seine Turnschuhe quietschten auf den hölzernen Planken. »Bist du sicher, dass du nicht ins Haus gehen willst?«
»Noch nicht. Setz dich einfach, okay?«
Mike wählte einen Platz in der Nähe ihres Liegestuhls und wartete.
»Ich … habe Angst«, gestand Carly leise.
Mike kniete sich neben sie und nahm ihre Hand. Ihre Haut fühlte sich kalt und klamm an, was ihm bewies, dass sie nicht übertrieb. »Da bist du nicht die Einzige, Carly.«
Er sah ihr in die Augen. Die Gefühle, die sie bewegten, ließen das Braun dunkler als üblich erscheinen. »Wie kann einer wie du von Angst reden? Du lässt dich doch für ein Foto auf lebensbedrohliche Situationen ein. Was sollte dir Furcht einjagen?«
»Mehr als du dir vorstellen kannst.« Nachdem er mitbekommen hatte, wie Kinder zu Waisen geworden waren, genau wie er, hatte er mitten im Einsatz hingeworfen und alle Profiregeln verletzt, die er sonst respektierte. Das allein war schon schlimm genug, doch die Angst, von der er gerade gesprochen hatte, hatte weder mit seiner Vergangenheit noch mit seiner Karriere zu tun, sondern mit Carly.
Mit dem Daumen zeichnete Mike die Adern an ihrem schmalen Handgelenk nach. Carly sah ihm dabei zu. Ihr völlig durcheinandergeratener Herzschlag rührte ihn auf eine Weise, die er nicht verstand. Und genau deswegen hatte er Angst.
»Ich fürchte mich davor, dass du mich fortschickst, ohne dass wir jemals eine Chance gehabt haben herauszufinden, was zwischen uns ist.« Mike zog ihre Hand an seine Lippen und küsste die Stelle an ihrem Handgelenk, an der ihr Puls pochte. »Und ich fürchte mich davor, jetzt bei dir zu bleiben und einen Teil von mir an dich zu verlieren.« Letzteres war bestimmt noch schlimmer. Denn selbst wenn er jetzt bliebe, sobald der Anruf kam, würde er gehen – und sie einsam und allein zurücklassen. Ihr wieder wehtun. Egal, wie gut seine Absichten waren, er würde ein Chaos anrichten, und er hatte keine Ahnung, wie er das vermeiden sollte.
Carlys überraschter Gesichtsausdruck brachte ihn zum Lachen. »Willkommen im Club«, sagte sie.
»Und was macht dir Angst?«, fragte er.
»Die Gefühle zwischen uns.«
Mike nickte in stummem Einverständnis. Bis vor kurzem hatte er noch geglaubt, dass Carlys Zurückhaltung auf ihre Schuldgefühle Peter gegenüber zurückzuführen sei. Doch ohne den Ring, der sie an einen anderen Mann band, war diese Theorie nicht länger zu halten. Was hieß, dass mehr dahintersteckte, und zwar etwas, das sie vor ihm verbarg.
»Und«, fuhr Carly fort, »die Tatsache, dass du mich, egal wie hin- und hergerissen du warst, enttäuscht hast. Du hast viele Stunden mit mir verbracht und die ganze Zeit gewusst, dass Peter fremdging. Dabei hast du mitbekommen, dass ich immer wieder nachgegeben
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