Noch ein Kuss
Armen. In Gedanken lag sie wieder auf dem Boden, und Mikes kräftiger Körper presste sich an sie. Doch diesmal schmeckten ihre Lippen nackte Haut.
Plötzlich räusperte sich Mike.
Carly blinzelte und sah ihm in die Augen. Er schien belustigt zu sein. Sein breites Grinsen verriet ihr, dass er sie ertappt hatte. Schnell legte sie die Hände auf ihre hochroten Wangen.
Es war wohl am besten, wenn sie ihn aus ihrer Wohnung hinauskomplimentierte. Wenn er gegangen war, würde sie ihn nie wiedersehen. Und sie weigerte sich, ihre Gefühle in Hinsicht jetzt schon zu analysieren.
Sie ging an ihm vorbei zur Tür. An seinen Schritten hörte sie, dass er ihr folgte. Sie legte eine Hand auf den Türgriff und drehte sich um.
»Ich habe schon verstanden, auch wenn du sehr subtil vorgegangen bist.«
Sie sah ihn an. »Wunderbar. Dann tragen wir uns ja gegenseitig nichts nach. Gute Nacht.«
»Ruh dich etwas aus und versuch, nicht an zu aufregende Dinge zu denken.« Mike nahm ihre Hand, verschränkte seine Finger mit ihren und streichelte mit dem Daumen über ihre Handfläche.
Was als lockere Abschiedsgeste gedacht war, hatte eine ungeahnte Wirkung auf Carly. Ihr wurde ganz heiß im Bauch, und diese Hitze breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Sie musste ihre gesamte Willenskraft aufbieten, um ihre Hand nicht zurückzuziehen.
Mike küsste sie zart auf die Fingerknöchel. »Gute Nacht, Carly. Schlaf gut.«
Genauso gut hätte er sagen können, denn sie bezweifelte, dass sie irgendetwas anderes tun konnte, als von ihm zu träumen. »Gute Nacht, Mike.«
Als Carly die Tür hinter ihm schloss, war sie tief im Innern davon überzeugt, dass sie ihn nicht wiedersehen würde …
Mike wusste, dass es unfair war, seine Beziehungen spielen zu lassen, denn er hatte verstanden, dass Carly allein sein wollte. Doch trotz ihrer nach außen hin demonstrierten Stärke hatte er einen tiefen Schmerz in ihr gespürt, eine Kränkung, die weit über eine zerbrochene Verlobung hinausging. Und er glaubte, dass diese Verletzung aus der Vergangenheit stammte. Obwohl er nicht der Mann an Carlys Seite sein konnte – er hatte zu viele eigene Narben und führte ein Leben, das sie weder verstand noch akzeptierte – , hatte er das Bedürfnis, ihr dabei zu helfen, das zu verarbeiten und weiterzukommen.
Dem eigenen Schmerz darüber, sie verloren zu haben, würde er sich später stellen, wenn er sein Leben wieder geordnet hatte und weltweit im Einsatz war. Er klopfte an die Tür zu Roger Wexlers Büro und öffnete sie. Carlys Vater erhob sich von seinem Schreibtischstuhl. »Schön, Sie zu sehen, Mike.«
»Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben, Mr. Wexler.« Mike schüttelte dem Älteren die Hand.
»Roger. Und das war kein Problem. Was kann ich für Sie tun?« Carlys Vater deutete auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch und wartete, bis Mike sich gesetzt hatte, ehe er selbst wieder Platz nahm.
»Carly hat mir gesagt, dass sie Urlaub machen möchte. Am Strand kann sie sich bestimmt gut erholen.« Mike fischte im Trüben, aber er hatte keine anderen Anhaltspunkte.
Roger nickte und stützte sich auf die Ellbogen. »Sicher. In den letzten zwölf Jahren oder so haben wir jeden Sommer einen Monat in diesem Strandhaus verbracht.« Neugierig kniff er die Augen zusammen. »Wieso erzählen Sie mir das?«
Mike fragte sich, wie viel er verraten sollte. Nach einem Blick in die Augen seines Gegenübers entschied er sich für die Wahrheit. Zwischen diesem Mann und seiner Familie hatte es schon zu viele Lügen gegeben. »Ein Grund ist eine Fotoserie, die ich für eine lokale Zeitung machen soll. Da brauche ich eine Bleibe, während ich die Gegend erkunde und ein paar Bilder schieße.«
»Und der andere Grund?«
Mike räusperte sich. »Ist Ihre Tochter.« Da das Gesprächsthema ihm unangenehm war, sprang er auf, lief in dem vornehmen Büro auf und ab und bewunderte den Ausblick und die Einrichtung.
Trotz der Tatsache, dass der Mann hinter dem Schreibtisch Rechtsanwalt war, hatte sein Arbeitszimmer eine überraschend warme Ausstrahlung. Der Raum erinnerte ihn sehr an Carly. Offenbar hatte sie mehr mit ihrem Vater gemeinsam, als er bemerkt hatte – jedenfalls mehr, als sie sich eingestehen wollte.
»Ich verstehe«, sagte Carlys Vater.
Wirklich? Verstand Roger Wexler, was Mike für Carly empfand, oder steckte er ihn in die gleiche Schublade wie Peter? Mike schob eine Hand unter seinen Blazer und steckte sie in die Hintertasche seiner Jeans.
»Mr. Wexler
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