Noch ein Kuss
habe auch eine Frage.«
»Was für eine?«, fragte Carly.
»Hast du dich mit Peter verlobt, weil oder obwohl es in eurer Beziehung keine Leidenschaft gab?«
»Ich denke, das weißt du«, flüsterte sie.
»Carly.« Mike legte eine Hand unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an. Die glitzernden goldenen Punkte in seinen haselnussbraunen Augen verrieten, wie heiß das Verlangen war, das er unterdrückte. Er sah sie durchdringend an und sagte: »Leidenschaft und Liebe sind gesunde menschliche Gefühlsäußerungen.« Dann strich er mit dem Daumen über ihre Unterlippe.
Seine Anziehungskraft war wie ein Sog, doch sie konnte die Worte und einfach nicht zusammenzubringen.
»Wer hat dich bloß etwas anderes gelehrt?«, murmelte Mike.
Zwei Tränen rannen über Carlys Wangen. »Wenn du bereit bist, darüber zu reden, wirst du hoffentlich zu mir kommen.« Er beugte sich vor und küsste ihr die Tränen weg.
Mike wanderte über den kleinen Privatstrand hinter dem Ferienhaus. Der Sand unter seinen bloßen Füßen fühlte sich kühl an. Da die Sonne gerade erst über den Horizont gestiegen war, hatte sich die Erde noch nicht erwärmt und war nach wie vor frisch von der kalten Nacht.
Nicht zum ersten Mal stellte Mike sich die Frage, was er eigentlich an diesem Ort machte. Die Frage verfolgte ihn schon seit drei Tagen. Drei Tage, in denen er von Carly behandelt worden war wie ein Gast, dem man zufällig begegnete oder auch nicht. Er hatte diese Distanziertheit akzeptiert und die durch das kleine Haus erzwungene Nähe ignoriert, selbst wenn er hörte, dass sie sich nachts im Zimmer nebenan schlaflos hin- und herwarf. Tagsüber nutzte er die Zeit, um an den öffentlichen Stränden entlangzuschlendern und für die Zeitung Schnappschüsse von Touristen zu machen. In der Nacht ging er ruhelos auf und ab und überlegte, wie lange seine Schonzeit noch dauern mochte.
Er schuldete seinen Kollegen im Ausland mehr als nur ein freundliches Winken und ein einfaches »Bis später« zum Abschied, und sein Chef würde sich auch nicht mehr viele von Mikes wortkargen Anrufen gefallen lassen. Abgesehen davon, dass er seine Telefonnummer hinterlassen hatte, war Mike bewusst abgetaucht. Denn sobald er wieder in die Ferne ziehen musste, verletzte er Carly ebenso sehr wie sein Bruder, wenn nicht noch mehr. Nicht, dass sie ihn um irgendetwas gebeten hätte, verdammt. Das musste sie gar nicht. Ein Blick in diese tiefgründigen Augen und schon tat er alles für sie.
Außer sie jetzt zu verlassen. Wenn er ging, ohne diesen starken Gefühlen zwischen ihnen auf den Grund zu gehen, blieb ihm etwas sehr Wertvolles verborgen. Doch ein weniger selbstsüchtiger Mann wäre gegangen, ehe Carly Schaden nahm.
»Hi.«
Überrascht drehte Mike sich um. »Ich habe dich gar nicht gehört.« Aber er war froh, dass sie von sich aus zu ihm gekommen war.
»Es ist nicht allzu schwer, sich am Strand an jemanden heranzuschleichen.« Carly hatte ihre Sandalen über die Schulter geworfen. »Noch dazu barfuß.« Zum Beweis wackelte sie mit den Zehen. Ihre rosafarbenen Nägel bildeten einen auffallenden Kontrast zu dem beigefarbenen Sand.
»Du scheinst ja heute Morgen gute Laune zu haben«, bemerkte Mike, während er sich fragte, was der Grund dafür sein mochte. »Hast du dich etwa mit meiner Gegenwart abgefunden?«
Carly schüttelte den Kopf. »Komm so gegen sieben zu mir in die Küche. Dann werde ich dir ein richtiges Festmahl servieren.«
Sie hatte es geschafft, ihn zu überrumpeln. »Was hast du denn vor?«
»Das ist eine Überraschung.« Damit drehte sie sich um und rannte zum Haus.
Mike lief hinter ihr her. Sie einzuholen, war nicht weiter schwer; die Arme um ihre Taille zu schlingen, sich auf den Rücken zu werfen und sie mitzuziehen noch viel leichter. Zu seiner unendlichen Überraschung leistete Carly keinen Widerstand und versuchte auch nicht, sich zu befreien. Schwer atmend und kichernd blieb sie einfach zwischen seinen Beinen liegen. Ihr Gesicht war gerötet, und ihr sorgloses Lachen verriet ihm, dass sie ihre Probleme hinter sich gelassen hatte, zumindest für den Augenblick.
Unter ihr zu liegen ließ schlagartig sein Verlangen erwachen. Durch ihr leises Lachen drückte ihr Körper sich gegen seinen, und es war unmöglich, seine prompte Reaktion zu verbergen. Er begehrte sie.
Mike merkte genau, in welchem Augenblick Carly sich ihrer intimen Stellung und seiner Erregung bewusst wurde. Ihr fröhliches Lachen endete abrupt, und ihre Miene umwölkte sich. Dann
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