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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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einem Buch. Du wirst es nicht glauben, aber… na, egal, ist nicht wichtig… wie geht’s dir?«
    »Gut.« Trockene Kehle. Mein Gesicht mag ich mir nicht vorstellen. Aber wir waren beide verlegen, das merkte man.
    Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Ich muss los, gibst du mir deine Telefonnummer? Ich hab sie nicht mehr. Falls es dir nichts ausmacht…«
    Ich gab ihr die Nummer. Sie stellte das Buch zurück, in dem sie gelesen hatte, und ging. Ich sah ihr hinterher. An diesem Tag musste ich oft an sie denken. Am nächsten Tag auch. Als ich aufwachte, schaltete ich das Telefon ein und fand eine SMS von ihr. Ich mag es, wenn ich morgens das Telefon einschalte und Nachrichten empfange. Es gefällt mir so sehr, dass ich manchmal abends welche versende und das Handy dann ausschalte, damit ich beim Aufwachen die Antworten vorfinde. Wenn ich ganz sichergehen möchte, dass ich eine Antwort bekomme, schicke ich Nachrichten mit Fragezeichen am Ende. Ich schicke Fragen in die Welt hinaus.
    An diesem Morgen hatte ich drei Nachrichten. Neben einer von Silvia noch eine von Quasseldante und eine von Camilla. Keine der drei war eine Antwort. Alle aus freien Stücken. Die von Dante lautete kurz und knackig: »Heute Abend Bierchen?«
    Die von Silvia war eine E-Mail-Adresse.
    Ich rief sie sofort an.
    »Was ist das?«
    »Das ist die E-Mail von Michela.«
    »Wo hast du die denn aufgetrieben?«
    »Ich hatte gerade nichts zu tun und habe ein bisschen im Internet gesurft. Anhand der Adresse, die du mir geschickt hast, habe ich die Firmen-Homepage recherchiert und dort ihre persönliche E-Mail-Adresse gefunden. Jetzt kannst du ihr schreiben, wenn du möchtest.«
    »Ich hasse dich.«
    »Ich dich auch, falls du ihr keine E-Mail schickst.«
    Silvia musste in der Sache zwischen mir und Michela wirklich etwas Besonderes sehen, bei den anderen Frauen hatte sie so was nie getan.
    »Stell dir vor, Silvia, heute Morgen habe ich drei Nachrichten erhalten: deine, eine von Dante, und weißt du, von wem die dritte ist? Von Camilla.«
    »Auweia, das ist doch reine Zeitverschwendung. Wenn du mit der wieder was anfängst, mache ich dich kalt.«
    »Keine Sorge.«
    Camillas Nachricht lautete: »Hier ist Camilla, rufst du mich an, wenn du das liest?«
    Was mochte sie von mir wollen?
    Ich dachte nach. Camilla und ich hatten Schluss gemacht, besser gesagt, ich hatte Schluss gemacht, als mir klar wurde, dass sie mich betrog. An die Nacht, in der ich Gewissheit erlangte, erinnere ich mich noch, als ob es gestern gewesen wäre. Ich erinnere mich an die Gesichter, den Ausdruck darin, ihre Stimme: »Lass mich erklären.« Mir hatte sie erzählt, sie ginge mit einer Freundin aus, aber etwas an ihrer Stimme war komisch gewesen. Da ich nicht wusste, wohin sie gehen wollten, wartete ich voll böser Ahnungen vor ihrem Haus. Ich weiß noch, dass ich mir ein bisschen blöd vorkam, dort im Auto zu sitzen, weil ich nicht mal wusste, ob sie überhaupt zu Hause übernachten würde. Trotzdem postierte ich mich dort wie in einem amerikanischen Krimi. Um halb zwei kam sie dann in Begleitung einer weiteren Person. Es war nicht ihre Freundin. Ganz und gar nicht: Es war mein Freund, Andrea. Mein bester Freund aus Kindertagen, mein Bruder, mit dem mich zig Erinnerungen verbanden. Andrea hielt an, sie küssten sich lange, dann stieg sie aus. Auch ich stieg aus. Wahrscheinlich hatte Andrea mich gesehen, denn er brauste sofort davon, vielleicht hoffte er, ich hätte ihn nicht erkannt. Camilla drehte sich um und sagte mit einem Ausdruck, den ich nie vergessen werde: »Ciao… was machst du denn hier?«
    Ich hatte immer gedacht, wenn ich je herausfinde, dass ich betrogen werde, dann seh ich rot, dann werde ich sie beide grün und blau schlagen. Doch an jenem Abend, Auge in Auge, bei ihr vorm Haus, brachte ich kaum ein Wort heraus, ich sagte immer nur: »Warum? Warum? Warum?«
    Dann schossen mir die Tränen in die Augen, und ich ging weg, ohne mich um Camillas Erklärungsversuche zu scheren. Ich wollte sie nicht mehr sehen. Ich beachtete die ungeschriebenen Regeln, die man befolgen muss, wenn man sich trennt und in derselben Stadt lebt. Wie in dem Lied von Lucio Battisti versuchte ich all die Orte zu meiden, wo du hingehst und die du auch kennst. Plötzlich ist da das Bedürfnis, einander aus dem Weg zu gehen, um sich nicht noch mehr weh zu tun: Cerco di evitare tutti i posti che frequenti e che conosci anche tu. Nasce l’esigenza di sfuggirsi per non ferirsi più. Ich ließ alle

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