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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Volo
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denken?«
    »Dann mache ich dir erst einen schönen Teller Pasta und hinterher vielleicht Fleischklößchen.«
    Als ich klein war, blieb ich nach dem Mittagessen oft bei ihr, weil meine Mutter arbeitete. Ich erinnere mich, dass ich am Tisch saß und Hausaufgaben machte, während meine Großmutter Geschirr spülte oder aufräumte und sich dann aufs Sofa setzte und ein Nickerchen machte. Wenn sie wieder aufwachte, sagte sie immer den gleichen, obligatorischen Satz. Sie öffnete die Augen und stieß einen kleinen Schrei aus: »Ach du Schreck!«
    Darauf ich: »Was ist denn?«
    »Ich hab mich glatt aufs Ohr gehauen!«
    Heute finde ich das nicht mehr allzu witzig, aber als kleiner Junge musste ich immer lachen. Solche Albernheiten fand ich unheimlich lustig. Genau wie der Witz mit dem ollen Gruselkäse. Es ist mir schleierhaft, wie der einen solchen Erfolg bei mir haben konnte.
    »Huuuh… ich bin der olle Gruselkäse! Husch aufs Brötchen, sonst gibt’s was auf die Näse!«
    Na ja.
    Toll fand ich es immer, wenn sie mich bat, für sie einen Faden einzufädeln, weil sie nicht mehr gut sah. Mir machte das Spaß, Kinder haben ja kaum je Gelegenheit, den Erwachsenen behilflich zu sein. Wenn ich mitbekommen hatte, dass sie den Faden zuvor im Mund angespitzt hatte, versuchte ich es mit dem anderen Ende, weil ich mich ekelte. Manchmal verhinderte eine winzig kleine Faser, dass der Faden durchs Nadelöhr ging. Aber nach ein paar Fehlversuchen schaffte ich es. Beim Strümpfestopfen schaute ich auch gerne zu, wegen des Holzeis, das sie hineinsteckte.
    Wenn Oma grüne Bohnen kochte, half ich ihr, mit den Fingernägeln die Enden abzuknipsen. Auf dem Tisch lag Zeitungspapier, da kamen die Enden hinein und wurden hinterher weggeworfen. Die Taschentücher durfte ich auch bügeln. Mit der Spitze des Eisens fuhr ich in die Ecken, bis sie unter der Kante zu verschwinden schien. Manchmal rief Oma mich, um Bettlaken zusammenzulegen. Aus Spaß drehte ich sie immer genau andersherum als sie, so dass sie sich verdrehten, anstatt ordentlich gefaltet zu werden. Und wenn sie am Schluss, bevor wir aufeinander zugingen, kräftig an ihrem Ende zog und ich auf sie zugeflogen kam, schütteten wir uns aus vor Lachen. Sie hatte unendliche Geduld mit mir, und sie hatte mich sehr lieb. Selbst beim Fußtest machte sie mit: Dabei fuhr ich mit den Fingern zwischen meine Zehen und hielt ihr die Finger dann unter die Nase. »Du musst dran riechen, wenn du mich lieb hast.«
    Wenn sie jetzt, in diesem Augenblick aufgewacht wäre, hätte sie vielleicht der Schlag getroffen. Ich mit zerschlagenem Gesicht an ihrem Bett sitzend, da wäre sie bestimmt erschrocken… Leise stand ich auf, doch als ich an der Tür war, klingelte plötzlich mein Handy. Ich drückte sofort die »Lautlos«-Taste.
    Meine Großmutter öffnete die Augen, sah mich eine Sekunde lang an und sagte: »Ciao, Alberto.«
    »Ciao, Teresa.«
    Dann schloss sie die Augen wieder, und ich ging zu Silvia.
    »Ich bin ganz froh, dass Monicas Verlobter mir eine geknallt hat, weißt du?«
    »Na, dann herzlichen Glückwunsch.«
    »Es geschieht mir recht, vielleicht ist es ein Zeichen, dass ich etwas ändern muss.«
    »Davon redest du ja schon seit längerem, du denkst an Michela…«
    »Ja, ich denke oft an sie, aber vielleicht noch mehr an die Idee, die sie verkörpert. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass Leute, die man nicht gut kennt, in unseren Köpfen interessanter werden, zu dem werden, was wir möchten. Wie bei Leuten, mit denen man an der roten Ampel steht: Man lächelt sich an, es wird grün, und sie brausen davon. Und dann meint man, dies sei womöglich der Mensch gewesen, nach dem man schon seit Jahren gesucht hat.«
    »Vielleicht stimmt das ja auch. Riechst du noch an ihrem Handschuh?«
    »Ja.«
    »Dann los, auf sie mit Gebrüll. Versuch’s wenigstens.«
    Meine Mutter kam und löste mich bei Oma ab. »Entschuldigt die Verspätung und meine Aufmachung, aber die von der Möbelspedition, ich kann euch sagen, das sind vielleicht Grobiane. Wenn ich nicht dageblieben wäre, hätten sie mir das ganze Haus demoliert. Die haben es glatt fertiggebracht, zwei Schrammen in die Wand zu machen, vor die sie den Kleiderschrank stellen sollten. Ich musste ganz schön laut werden… Was ist mit deinem Gesicht?«
    »Ich bin gefallen…«
    »Hat das schon jemand angeschaut?«
    »Nein, es ist nichts Schlimmes.«
    »Bist du sicher, brauchst du was?«
    »Nein, danke. Ich muss los.«
    »In Ordnung. Wie geht’s

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