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Noch Einmal Sollst Du Buessen

Noch Einmal Sollst Du Buessen

Titel: Noch Einmal Sollst Du Buessen Kostenlos Bücher Online Lesen
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gefasst. „Wenn du mich nicht sofort loslässt, schreie ich“, warnte sie, „und du scheinst vergessen zu haben, dass ich mich auch selbst wehren kann.“ Offenbar erinnerte er sich, denn er ließ seine Hand sinken.
    Plötzlich ging eine tödliche Ruhe von ihm aus. Sein Mund war nur noch eine dünne harte Linie, und die Kälte in seinen haselnussbraunen Augen sandte Marnie einen eisigen Schauer über den Rücken.
    „Da bist du ja!“ Victor kam ihr auf dem Flur entgegen. „Dachte schon, die gestresste Geschäftsfrau hätte keine Zeit mehr für einen Schwatz mit ihrem Vater.“ Ohne Kent zu beachten, legte er Marnie den Arm um die Schulter. „Gute Präsentation“, lobte er ihren Einstieg, und jetzt endlich schien er seinen Vizepräsidenten zu sehen. „Lief doch gut, findest du nicht, Kent? Und wenn es nicht klappen sollte, Marnie, kannst du deinen Job jederzeit wiederhaben.“
    „Wenn es nicht klappt, müssen wir beide Konkurs anmelden“, sagte sie und lachte.
    Kent verzog keine Miene.
    „Kommt, ich lade euch ins ‚Le Délice‘ ein. Wir müssen unsere neue Partnerschaft feiern.“
    Marnie legte nicht den geringsten Wert auf Kents Gesellschaft, aber sie wollte keine Szene machen und Victor nicht seine gute Laune verderben. In dem französischen Nobelrestaurant an der Elliot Bay besiegelten sie mit Champagner, Hummer und Lachs den Vertrag, und Marnie war froh, als sie es hinter sich hatte.
    Victor fuhr sie zu ihrem Wagen zurück. „Mir ist das heute vorgekommen wie ein Familientreffen“, bemerkte er mit einem Anflug von Wehmut in der Stimme.
    „Dad, ich war doch nur kurz fort.“
    „Erscheint mir wie eine Ewigkeit. Na ja, wir blicken jetzt in die Zukunft, nicht?“
    „Natürlich.“
    Er öffnete die Tür ihres Fords und schmunzelte. „Diese Kiste sieht nicht gerade wie dein BMW aus, aber immerhin besser als der VW-Käfer, in dem ich dich schon rumkutschieren sah.“
    Sie lachte. „Der hier muss es tun. Sieht ganz so aus, als müsste ich Kent ausbezahlen. Die ‚Marnie Lee‘, weißt du …“
    „Du solltest nichts überstürzen, Marnie.“
    „Dad, sogar Kent hat endlich eingesehen, dass es zwischen uns aus ist. Ich liebe ihn nicht und werde ihn nicht heiraten. Wenn ich es dir nur begreiflich machen könnte …“
    „Ach, Marnie.“ Victor lächelte traurig. „Ich habe nur an dich gedacht, weißt du.“ Er küsste sie auf die Wange, bevor er sich ans Steuer seines Wagens setzte. „Es ist schön, dich in der Mannschaft zu haben.“
    „Danke, Dad.“
    Sie startete den Motor, aber Victor zögerte noch. „Ich nehme nicht an, dass du etwas von Drake gehört hast, oder?“
    „Ich dachte, sein Name sollte nicht mehr erwähnt werden.“
    „Richtig, aber …“
    „Also, da du das Thema schon mal aufbringst, kannst du es ebenso gut auch wissen. Ich treffe mich mit ihm.“ Marnie hielt es für besser, von Anfang an offen mit ihrem Vater zu sein. Er würde sich daran gewöhnen müssen, dass sie eine erwachsene, selbstständige Frau war.
    Seine Miene wurde ernst. „Das habe ich befürchtet.“
    „Vertrau mir, Dad. Ich bin inzwischen ein großes Mädchen.“
    Er starrte nach vorn und seufzte. „Was immer du tust, Marnie, pass auf, dass der Kerl dich nicht verletzt.“ Damit schlug er die Wagentür zu, und als Marnie aus ihrer Parkecke scherte und im Rückspiegel einen Blick von ihm erhaschte, schnürte sich ihr Herz zusammen. Er war blass geworden und sah älter aus als noch vor einer Minute. Als hätte die bloße Erwähnung von Adams Namen alle Kraft aus ihm gezogen.
    Marnie fuhr aus der Hotelgarage und fädelte sich in den dichten Nachmittagsverkehr ein. Von der Bucht her krochen Nebelschwaden die steilen Hügel von Seattle hinauf, und auf einmal sah Marnie es als ein symbolisches Bild. So wie der Nebel sich an den Hängen fing, haftete sie an der Vergangenheit. Gut, sie hatte sich selbstständig gemacht, aber ihr erster Kunde war ihr Vater. Wie weit hatte sie sich von Victors Einfluss entfernt? Zwei Straßenzüge, das war alles. Ihre Gedanken wanderten zu dem anderen Mann, der versuchte, sich in ihr Leben einzumischen. Versuchte? Er hatte es bereits getan. Nicht sie, Adam hatte die Idee gehabt, Montgomery Hotels als Kunden zu werben.
    War das die Selbstständigkeit, die sie sich erträumt hatte? Sie schaltete das Radio ein und summte zu der weichen Soul-Melodie, während sie der langen Linie der Schlusslichter aus der Innenstadt heraus zum Wohnbezirk an der Bucht folgte. Sie parkte den Wagen auf

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