Noch immer schwelt die Glut
hielt.
»Monsieur le Chevalier«, sagte Mosca, der mein Stirnrunzeln wohl bemerkte, »ich verstehe, daß Ihr als guter Hugenotte Euch schwer von Euren Talern trennt, zumal Ihr ›gezwungen geht‹, wie es Eure Brüder am Hofe nennen, die auch die Segel streichen mußten.«
»Gezwungen gehen«, sagte ich, »was soll das heißen?«
»Gemeint ist: zur Messe.«
»Ha!« sagte ich und lachte, »das wußte ich nicht. ›Gezwun gen gehen‹, nicht schlecht!«
»Monsieur le Chevalier«, sagte Mosca mit leichter Verneigung, »es freut mich, Euch erheitert zu haben. Und nun hört meine Geschichte. Ihr habt sie gut bezahlt. Im Januar dieses Jahres, das bekanntlich in unheilvollem Ruf steht, verjagte Königin Elisabeth von England den spanischen Gesandten aus London, weil sie ihn der Teilhabe an sämtlichen Komplotten verdächtigte, welche von Philipp II. und den Jesuiten gegen sie angezettelt wurden. Im Februar ließ sie einen katholischen Gallier namens Parry festsetzen, der sie hinterhältig ermorden wollte – zweifellos ein Wirrkopf, aber ebenfalls präzise vom Jesuitenseminar zu Reims gesteuert.«
»Reims!« rief ich, mit einem Blick auf Giacomi.
»Ja, Reims! Und von Reims wie von Trier gingen auch wer weiß wie viele Mordanschläge auf Wilhelm von Oranien aus, den stärksten Pfeiler der reformierten Kirche in den Niederlanden. Wenn er fiele, hätte der Spanier es leichter, das unglückliche Land unter sein Joch zu zwingen. Ebenso könnte er, wäre Königin Elisabeth beseitigt, Maria Stuart auf den Thron setzen und sich England unterwerfen.«
»Sich England unterwerfen?« fragte ich verblüfft.
»Nichts weniger, Chevalier«, sagte Mosca.
»Aber, welches Interesse haben die Jesuiten daran?« fragte Giacomi.
»Die Jesuiten achten das Zeitliche nicht, all ihr Trachten ist auf das Geistliche gerichtet, und in ihrem Eifer sind sie ernsthaft, beharrlich und tapfer. Ihr Ziel ist die Rekatholisierung Englands und der Niederlande. Doch leider sind ihnen zu diesem edlen Ziel alle unedlen Mittel recht: Krieg, Inquisition und Mord.«
|126| »Ihr macht mir Angst, Monsieur«, sagte ich, Mosca scharf ins Auge fassend. »Königin Elisabeth, Wilhelm von Oranien, sicherlich auch die lutherischen deutschen Fürsten und womöglich der König von Navarra – wo sollen diese Mordpläne enden?«
»Dabei jedenfalls noch nicht!« sagte Mosca, die Augen senkend.
»Wie?« rief ich außer mir, »auch unser Herr? Aber er ist doch Katholik!«
»Kein sehr eifriger – in den Augen der Eiferer – im Kampf gegen die Ketzerei! Vielmehr meint er, die Stärke der Hugenotten in seinem Reich halte die Macht der Guise in Schranken.«
»Also will man auch ihn ermorden?«
»Zunächst geht es nur darum, ihn in ein Kloster zu sperren, weil er doch die Mönche so liebt. Aber Ihr wißt ja, wie sehr das Leben eines Staatsgefangenen am seidenen Faden hängt, sobald er der Macht im Weg ist. Und wenn die Sache nicht schiefgeht, wird diese Macht Guise heißen.«
»Weiß das der König?« fragte ich mit erstickter Stimme.
»Das und mehr«, sagte Mosca.
Ha! dachte ich, bis an den Grund entsetzt, nun wundere ich mich nicht mehr, in den Augen meines armen Herrn oft soviel Argwohn und Melancholie zu lesen. Wie soll man frei atmen und sich des Lebens freuen, wenn einem immer ein Schwert überm Haupte schwebt?
»Und«, sagte Giacomi, der mehr an Larissa als an den König dachte, »was hat Samarcas mit alledem zu tun?«
»Samarcas, Maestro, gehört zum Seminar zu Reims wie der Wurm zur Frucht, und diese Frucht hat Guise extra für diese Würmer erschaffen, deren Haupt- und Endziel die geistliche Eroberung Englands ist.«
»Durch Mord?«
»Unter anderem. Bitte, bedenkt, meine Herren: Samarcas weilt häufig in London, und wenn er nach Paris kommt, besucht er den spanischen Gesandten Mendoza, denselben, den Elisabeth im letzten Januar aus ihrem Reich verjagte, weil er gegen sie komplottiert hat. Und sobald Samarcas in Paris auftaucht, setze ich Leute auf seine Spur, denn mein Herr ist an Elisabeths Tod nicht interessiert.«
|127| »Gott schütze sie!« sagte ich in dem Wissen, daß diese große Königin unsere erste und stärkste Feste gegen die papistische Unterdrückung war.
»Gott«, sagte Mosca, »und Walsingham.«
»Wer ist Walsingham?« fragte ich, ohne zu ahnen, daß dieser Name mir allzubald ganz vertraut werden sollte.
»Walsingham ist der englische Minister, der über die Sicherheit der Königin wacht, und wie gut, das weiß der Himmel!
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