Noch immer schwelt die Glut
Chevalier«, fuhr Mosca fort, indem er sich erhob, »die Zeit drängt, und meine Eskorte holt sich den Schnupfen, wenn ich sie länger warten lasse. Doch vernehmt zum Schluß das Seltsamste: Samarcas wird derzeit nicht nur von meinem Mann beobachtet, sondern noch von einem zweiten, der zum Hause des englischen Gesandten in Paris gehört.«
»Ach!« sagte ich, »das erhellt die Rolle von Samarcas ja vollends.«
»Ich glaube auch.«
Und mit tiefer Verneigung gegen mich sowie einer Giacomis Rang gebührenden nahm der Fuchs Urlaub, worauf ich mich um gute Taler ärmer und um böse Geheimnisse reicher fand.
»Moussu«, sagte Miroul, und sein braunes Auge blinkte verschmitzt, während das blaue kalt blieb, »habt Ihr Lust, den wahren Namen Meister Moscas zu wissen?«
»Wie! Den kennst du, Miroul?«
»Gewiß kenn ich den, Moussu«, sagte er, wobei sein braunes Auge stärker blinkte, »nur weiß ich nicht, ob ich ihn sagen soll. Ich hab ihn nämlich einmal beim Herumtrödeln aufgeschnappt, als Ihr mich auf einen Botengang zu Freunden schicktet.«
»Was soll das heißen, Miroul?«
»Na, Ihr liebt es doch nicht, Moussu, wenn ich unterwegs trödele, die Nase in jeden Winkel stecke und meine Augen überall habe. Ihr habt mich schon mehrmals hart dafür gerüffelt.«
»Nun sprich doch, Miroul!« sagte ich. »Mit deinem Eigensinn kannst du einen Heiligen auf die Folter spannen.«
»Seht Ihr, Moussu!« sagte er, und sein braunes Auge lachte, »schon seid Ihr wieder ärgerlich! Dabei tue ich alles für Euch, wenn ich so das Pariser Pflaster abklappere und tausend Dinge seh und höre! Wüßte ich, was ich weiß, wenn ich letzten Montag nicht vorm Châtelet stehengeblieben wäre?«
|128| »Hinterhältiger Diener«, schrie ich, »willst du endlich reden?«
»Moussu«, sagte Miroul und spielte den Beleidigten, »wenn Ihr mich hinterhältig schimpft, stockt mir die Sprache, und ich werde stumm.«
»Ach, mein Miroul! Ich bitte dich, sei doch kein Spielverderber! Rede!«
»Wenn ich denn ›Euer‹ Miroul bin«, sagte Miroul, »kann ich so schlecht nicht sein. Und wenn Ihr mich bittet, ist Eure Bitte Befehl. Aber, schimpft Ihr auch nicht wieder mit mir, wenn ich in Paris herumtrödele, wo meine Trödeleien mir soviel einbringen?«
»Miroul«, schrie da Giacomi, der über dieser Debatte die Geduld verlor, »du hast wahrlich den besten und gütigsten Herrn der Christenheit! Wer würde solch unleidliche Widerborstigkeit ertragen, ohne zum Stock zu greifen?«
»Maestro«, sagte Miroul, nicht ohne einige Würde, »auf dem Fuße steh ich nicht mit dem Herrn Chevalier. Er weiß sehr wohl, daß ich, außer Florine, alles für ihn gäbe und ihm aus großer Anhänglichkeit und Dankbarkeit diene, denn ich habe Geld in Bordeaux und kann mich auf eigene Füße stellen, wenn ich will.«
Und indem er dies sagte, traten ihm plötzlich Tränen in die Augen. Und weil sein Kummer mich schmerzte, schloß ich ihn in die Arme und küßte ihn auf die Wangen. Worauf sein braunes Auge im selben Moment aufleuchtete, da ihm die Tränen übers Gesicht kullerten, und er, lachend und weinend in einem, dem Sonnenschein im Regen glich.
»Ach, Moussu!« sagte er, »mußtet Ihr letzten Montag so böse werden, nur weil ich eine halbe Stunde später kam? Wozu lebt man denn in Paris, wenn man sich nirgends verweilen darf?«
»Miroul«, sagte ich und küßte ihn reuevoll noch einmal, »soll ich dich um Entschuldigung bitten?«
»Nein, nein, schon gut, Moussu. Das wäre unter Eurer Würde. Aber nun hört, was diesen Mosca angeht: An jenem Montag, gegen acht Uhr morgens, als ich für Euch auf Botengang war, sah ich, wie drei Beutelschneider aus dem Châtelet zum Galgen von Montfaucon geführt wurden. Die Woche begann schlecht für die armen Kerle. (Worauf er, durch seinen |129| Witz vollends getröstet, lachte.) Und wer führte sie, umgeben von seinen Weißberockten, die Pike in der Faust, wenn nicht der Polizeileutnant, Meister Nicolas Poulain, wie ich von einem Mitgaffer erfuhr.«
»Was! Das ist Mosca?«
»Derselbe. Leider hab ich ihn heut in dem schwachen Licht nicht gleich erkannt, erst als er ging, sonst hätte ich es Euch auf okzitanisch geflüstert, und Ihr hättet viel gutes Geld gespart.«
»Wieso das?«
»Hätte er Euch dermaßen schröpfen können, wenn Ihr gewußt hättet, daß er Offizier im königlichen Dienst ist? Nur kein so hoher, daß er bei Hof erscheint und Euch begegnet. Daran eben zeigt sich, Moussu«, fuhr Miroul fort, der sich
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