Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
Augen«, sagte ich, »können auch Erregung verursachen.«
    »Nicht in meinem Genesungsstadium, ehrwürdiger Doktor«, sagte er mit dankbarem Lächeln. »Ich bin gerade wiedergeboren und durchlaufe meine zweite Kindheit, in Zaras Armen bin ich noch ganz klein.«
    »Wie? Schon in ihren Armen?« rief ich lachend.
    »Gottlob ist sie sehr liebevoll«, sagte Mundane undurchdringlichen Gesichts, aber mit blitzenden Augen.
    Ich verließ meinen munteren Engländer, hochzufrieden, wie begierig er ins Leben zurückkehrte, nachdem er es fast verloren hatte, und eilte zu meinem Rendezvous vor dem Laden des Juweliers Corane, nahe am Pont aux Changes, wo er, glaube ich, heute noch ist. Aber diesmal bat ich Miroul und Giacomi, mir gut bewaffnet zu folgen, wie auch ich mich mit einem verborgenen Dolch bewehrte. Nicht daß ich von den reizenden Damen einen Hinterhalt befürchtete, doch konnten uns Spione der Guises auflauern.
    Mich traf es wie Mehltau, als ich in Coranes Schaufenster den diamantbesetzten ungarischen Opal nicht mehr erblickte, den ich am Vortag bewundert hatte, und sein Fehlen betrübte mich schwer, obwohl ich ihn ja nicht hätte kaufen können, |163| denn die dreihundert Ecus des Königs mußten für meine Ausstattung bleiben. Zumal der »große Rabbi«, wie von Chicot vorausgesagt, mir fünfzig Ecus davon abgezwackt hatte. Die verbliebenen zweihundertfünfzig Ecus würden kaum für alles ausreichen, denn immerhin galt es auch, mit Giacomi, Mundane, Miroul und mir vier Mann auf einer langen Reise zu verköstigen, von den vier Pferden und dem Lasttier ganz abgesehen.
    In solchen unerfreulichen Gedanken sah ich neben mir eine wohlbekannte, schwarzmaskierte Dame auftauchen.
    »Monsieur«, sagte sie, »wenn Ihr mir bis zur Rue de la Vieille-Pelleterie folgen wollt, findet Ihr dort eine haltende Kutsche, worin meine Herrin Euch erwartet. Aber gebt acht, Monsieur, im Gewimmel auf der Brücke sehe ich zwei Männer, die Euch anscheinend im Auge haben.«
    »Wie sehen sie aus?« fragte ich.
    »Der eine ist lang und schlank, der andere schmächtig.«
    »Sie gehören zu mir«, sagte ich lächelnd. »Madame, geht nur voraus, ich folge der Spur Eures Reifrocks.«
    In der Mitte der langen Rue de la Vieille-Pelleterie sah ich in der Tat die wappenlose Kutsche halten, in welche besagte Dame diesmal aber nicht einstieg, vielmehr gab sie dem Kutscher ein Zeichen, mich einzulassen. Der Mann sprang vom Bock, öffnete Schlag und Vorhang, klappte die Stufen auf und bedeutete mir wortlos, hinaufzusteigen. Was ich tat, doch einer Katze gleich, eine Pfote vor, die andere verhaltend, und nicht ohne mich des Dolchs unter meinem Cape zu versichern. Auf den ersten Blick erkannte ich jedoch, daß ich es nur, wie der Dichter sagt, mit »der Zier des Menschengeschlechts« zu tun bekam und Schönheit als einzige Waffe zu fürchten hatte.
    Das Innere der Kutsche war von drei umfangreichen Röcken besetzt, soweit ich das erkennen konnte, denn der Kutscher hatte sofort den Vorhang hinter mir geschlossen, und ich befand mich in einem duftenden Dämmer, in dem ich gerade nur den Reifrock neben mir als den größten und reichsten der drei unterschied. Doch gewöhnten sich meine Augen bald an das Halbdunkel, meine Beine bahnten sich Platz, so gut es ging inmitten all des raschelnden Brokats, und so fühlte ich mich hinreichend geborgen, um mich in Geduld zu fassen, bis meine Nachbarin sprechen würde. Sie nahm die Maske ab, die sie selbst in der |164| Kutsche trug, blickte mich mit einem bezaubernden Lächeln an, indem sie ihre behandschuhte Linke auf meinen Arm legte, der auf ihrer Lehne ruhte – so beengt saßen wir –, dankte mir mit sanfter, melodischer Stimme für mein Kommen und fragte, was mein Herr hinsichtlich Mister Mundanes beschlossen habe. Als sie sprach, erkannte ich zuerst ihr Timbre wieder, dann, was ich von ihrem Haar sehen konnte, welches, wie man sich erinnern wird, vom schönsten venezianischen Rot war. Und ganz entzückt, in dieser Kutsche einer so hohen und schönen Dame nahe zu sein, daß unsere Gesichter sich fast berührten, antwortete ich mit leicht bebender Stimme, wie der König entschieden hatte, worauf sie vor Zufriedenheit meine Hand drückte.
    »Monsieur le Chevalier«, sagte sie in heiterem Ton, »ich hoffe, Euer Wams hat tiefe Taschen, denn ich habe Euch von Graf Stafford mehreres zu übergeben. Erstens, einen Brief für Mister Mundane. Zweitens, diese Börse hier mit zweihundertfünfzig Francs, die Euch von den Ausgaben

Weitere Kostenlose Bücher