Noch nicht mal alleinerziehend
rief ihre Mutter theatralisch, bevor sie geschickt das Thema wechselte: »Und? Morgen ist die Taufe von Bill und Tom?«
»Ja!«
»Ach, wie schön. Dann grüß Kiki bitte ganz lieb von mir. Und du gehst ohne Begleitung dorthin, nehme ich an …?«
Es entstand eine unangenehme Pause.
»Tja, das habe ich mir gedacht. Und, gibt’s was Neues in Sachen Job?«
Oh nein, dachte Nora, nun war sie ihrer Mutter doch ins Netz gegangen …
S onntag, 2. Mai, 10 Uhr – Tauftag! Um zwölf wollte sie bei Frauke und Sven sein. Sie hatten verabredet, gemeinsam zur Kirche zu fahren. Nora ging ins Schlafzimmer und schlüpfte in ihre rote Spitzenunterwäsche, die sie passend zu ihrem roten Wickelkleid aus Taft gewählt hatte. Eines dieser Zweck-Kleidungsstücke, die Nora gezwungenermaßen für all die Hochzeiten der letzten Jahre angeschafft hatte. Sie griff zu goldenen, halbhohen Pumps, einem goldenen Bolerojäckchen und ihrer roten Handtasche, einer Mischung aus Leder und Bast, auf die goldene und silberne Applikationen wie Blumen und Schmetterlinge gestickt waren. Eine richtige »Mädchenhandtasche«, die zusätzlich mit roten Lederfransen versehen war. Ein creme-goldener Schal, Goldschmuck, ein leichtes Make-up: Fertig.
Eine Stunde später stand Nora, die Locken zu einem züchtigen Dutt geformt, wie ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft und politisch korrekt gekleidet im Hausflur und schloss ihre Türe ordnungsgemäß ab.
Eine Viertelstunde später erschien sie pünktlich bei Frauke und Sven. Als sie eintraf, war Frauke noch dabei, Kira anzuziehen und sich selbst den letzten Schliff zu verpassen. Sven saß im dunkelblauen Anzug in der Küche und las den Sportteil. »Bist du krank?«, fragte er mit einem erstaunten Blick über die Zeitung auf die Uhr, als Nora eintrat. »Wir haben nicht vor halb eins mit dir gerechnet.«
»Sehr witzig«, sagte Nora und setzte sich zu ihm. »Herzlichen Glückwunsch zum Baby«, fügte sie hinzu, weil sie Sven noch gar nicht gesprochen hatte, seitdem Frauke – zusammen mit den anderen Mädels – die Bombe hatte hochgehen lassen.
»Danke Nora, das ist lieb von dir! Ich freue mich so. Ist jetzt genau die richtige Zeit, auch für Kira. Kaffee?«
»Gerne.«
»Nora«, rief Frauke aus dem Kinderzimmer. »Auf der Küchentheke liegen die Taufkarten für Bill und Tom. Sei doch so gut und unterschreibe da schon mal.«
»Mach ich!«
Zehn Minuten später kamen Frauke und Kira in die Küche. Kira trug ein dunkelblaues Kleidchen mit Rüschenkragen und aufgedruckten weißen Margeriten, darüber eine weiße Strickjacke, weiße Strumpfhosen und weiße Lackschühchen. Frauke hatte ihr zwei lustige Zöpfchen geflochten, in die sie weiße Blumen eingearbeitet hatte. Sie selbst trug ein champagnerfarbenes Wickelkleid, mit einem dicken braunen Ledergürtel um die Taille, um ihren Bauch zu kaschieren, braune High Heels und einen champagnerfarbenen Seidenschal. Sie war dezent geschminkt und hatte ihre Ponyfrisur wild geföhnt.
»Geht das so?«, fragte sie Nora unsicher.
»Süße, du siehst so schön aus!«
»Und mein Bauch? Weißt du, der wächst irgendwie viel, viel schneller als damals, als ich mit Kira schwanger war. Ich fühle mich jetzt schon wie ein Hefekloß.«
»Quatsch«, sagte Nora. »Du siehst echt toll aus.«
»Finde ich auch!«, sagte Sven und strahlte sie stolz an.
»Die Mama ist hüsch«, quiekte Kira.
»Hübsch, Schatz. Es heißt hübsch.«
»Kira auch hübsch?«
»Du bist die Schönste im ganzen Land, Maus«, antwortete Nora und gab Kira einen dicken Kuss.
Vor der Kirche auf der Rodenkirchener Hauptstraße war der Teufel los. Eine große Menschenmenge, dem Anlass entsprechend perfekt gestylt, hatte sich hier versammelt und wartete auf die Taufkinder und ihre Eltern. Die vielen extravaganten Hüte hätten beim Royal Ascot locker mitgehalten. Alle, wirklich alle, die in den letzten 20 Jahren Kikis und Franz’ Lebensweg gekreuzt hatten, waren erschienen. Nora konnte sich nicht erinnern, wann ihr Freundes- und Bekanntenkreis das letzte Mal so komplett angerückt war. Es gab ein großes Hallo, es wurde umarmt und gedrückt und geküsst. Nora fühlte sich ein wenig überfordert, die meisten hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen. »Nora, wir gehen auf jeden Fall zusammen da rein und sitzen nebeneinander. Dann wird’s auch lustig.« Kim hatte sich einen Weg durch die Menge gebahnt und umarmte Nora herzlich. Marie und die Kinder folgten ihm.
»Auf jeden Fall«, sagte Nora erleichtert
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