Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
klar, jeder schöpferische Akt von solchen Gnaden fordert seinen Tribut vom Körper. Ich hob das Weinglas also an die Lippen, ließ dabei den Blick versonnen durchs Zimmer schweifen und er blieb an meinem Hibiskus hängen, der jetzt schon drei Jahre nicht mehr geblüht hat. Und ich dachte: Was für eine arme Seele mag wohl in dem stecken? Vielleicht hat sie als Sklave im alten Rom angefangen, 100 vor Christus, ein interessantes Jahr, Cäsar wird ermordet, Turkestan fällt an China, die Germanen verdrängen die Kelten aus Mitteleuropa, Aristeides schreibt die Milesischen Liebesgeschichten, die die spätere Literatur sehr beeinflussen werden, Apollonius aus Athen schafft den Ruhenden Faustkämpfer, eine Plastik aus der neuattisch-klassischen Schule, es gibt zahlreiche staatliche und private Bordelle in Rom, in eines davon wird unser Sklave auch verkauft, weil er so faul ist, aber an seiner neuen Wirkungsstätte tut er auch nicht mehr, wird immer wieder weiterverkauft und stirbt schließlich an Unterernährung, weil er sogar zu faul zum Essen ist. Die Seele siedelt über in ein Faultier in Brasilien, im tropischen Regenwald, das so faul ist, dass es nicht mal am Baum hängen, sondern nur am Boden liegen will, was die Sippe erst verblüfft, dann aber erheitert, besonders, als es von einem dreibeinigen Jaguar gefressen wird, weil Faultiere am Boden für 200 Meter etwa eine Stunde brauchen, das ist für eine schnelle Flucht sehr, sehr wenig.
Nun saß der Körpervergaberat wieder zusammen und überlegte: Wo sollen wir mit dieser extrem faulen Seele hin, die ja auf gar nichts Bock hat, was nach Action riecht? Und dann kamen sie auf meinen Hibiskus. Ich glaube, diese Seele schafft es nie ins Nirwana. Die ist einfach zu faul. Oder der Körpervergaberat kapituliert, das kann auch sein.
Aber zurück zu mir: Ich war auf jeden Fall Karl May, habe selbstverständlich alle die Reisen gemacht, die er ja erst gemacht hat, nachdem er sie beschrieben hat, und ich habe auch sonst einige Schnitzer vermieden, die Old Shatterhand begangen hat: Ich habe selbstverständlich Ntscho-tschi geheiratet, die sich bekanntlich in mich verliebt hatte, und habe sicherheitshalber Santer erschossen, bevor er meiner Frau etwas zuleide tun konnte. Habe ich erwähnt, dass zum fraglichen Zeitpunkt zufällig Julia Roberts Seele in Ntscho-tschi residierte? Mit meinem roten Bruder bzw. Schwager Winnetou habe ich natürlich jede Menge lustige Sachen erlebt, zum Beispiel meine Namensgebung: Old Shatterhand hat mich ja Sam Hawkins genannt, wegen meines rechten Hakens an die Schläfe, der jeden Gegner fällte, unter anderem Wladimir Klitschko, der zu der Zeit auch in der Gegend war. Was Karl May nicht wusste, war, dass das Adjektiv Old keineswegs eine Bezeichnung für einen erfahrenen Trapper war, sondern völlig ungebräuchlich. Aber die Apatschen haben mir natürlich auch einen Namen gegeben und zwar auf die übliche Tour, wie auch »Der mit dem Wolf tanzt« entstanden ist, sie nennen einen Fremden nach der Situation, in der sie ihn zum ersten Mal sehen. Und so hieß ich: »Der sich den Popo mit Blättern putzt«.
Meine Lieblingsstory mit meinem roten Schwager Winnetou (Karl Dall) ist aber eine andere: Wir sitzen im Wald am Lagerfeuer, nachts, plötzlich knackt ‘s im Gebüsch. Lautlos bedeutet mir mein Schwager Winnetou, dass er die Sache regeln wird. Er schleicht katzengleich ins Dunkel, kurz darauf ein dumpfer Schlag und ein erstickter Schrei. Winnetou kommt zurück und lässt sich wortlos nieder. An seiner Stirn schwillt eine Beule. Wenig später knackt es wieder im Gebüsch. Ich will mich erheben, aber wiederum bedeutet mir der Häuptling der Apatschen (Karl Dall, sagte ich das schon?), ihm den Vortritt zu lassen. Er geht, ein Schlag, ein Schrei, er kommt zurück und setzt sich wortlos hin, auf seiner Stirn schwillt eine zweite Beule. Nach einigen Minuten frage ich leise: »Hat mein roter Schwager auch den zweiten Feind unschädlich gemacht?« »Nein, Winnetou ist zum zweiten Mal auf den Rechen getreten.«
SIE Pflanzen
Pflanzen und Frauen verstehen sich, sie sind Seelenverwandte allerersten Grades. Sie verbindet eine ursprüngliche Freude an Wachstum, an Samen, Keim- und Schösslingen, Knospen, Blüten, Früchten und jungen Trieben. Ihre Welt ist zart, bunt und wild, voller Schönheit und Intelligenz, sie spenden Nahrung, Energie, Medizin, Liebe und Schutz und sie haben in vielen wichtigen Dingen des Lebens ähnliche Strategien. Mit Düften, Farben und
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