Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
Ehefrauen in die Eventbadewannen gestiegen. Wohl klugerweise nicht mit der erneuten Obligation zum Glücklichmachen im Hinterkopf, sondern der zum selber glücklich werden. Die Auswahl an Freude spendenden Erlebnissen für mittelalterliche Frauen ist, glaube ich, der wahre Sinn von Wellness. Delfin- oder Kellnerreiten, Königinnenbad in warmer Ziegenmilch mit anschließender Isis-Massage, ›Mach es mir‹ mit heißen Steinen auf dem Rücken oder Klangschalen, auch wenn sie von einem Asiaten angeschlagen werden, der dabei Heiratsanzeigen lesend seinem eigenen Rhythmus folgt. Unser Fazit war jedenfalls: Professionelle Wellness nehmen wir in Zukunft nur noch in Anspruch, wenn jemand anderes dafür blechen muss.
Das Wochenende darauf sind wir – wie gewohnt – morgens in unsere Therme und danach lecker Essen gegangen, den Beauty- und Massageteil haben wir uns in aller Ruhe am Nachmittag gegenseitig gemacht. Das war alles in allem erheblich preiswerter, lustiger und dauerte nicht so endlos lange, weil wir ja immer sofort dran waren. Ein Jahr später behauptete meine Freundin jedoch, die richtige Wellness, also die Ganzheitliche, hätten wir noch gar nicht kennengelernt, weil dieses grundlegende Verständnis von Körper, Seele und Geist den Europäern samt ihrer Medizin abgeht. Bald darauf landeten wir in Indien. Ayurveda. Hier ging es auch mit einem Körperpeeling los, allerdings von innen. Beim Ayurveda beginnt Schönheit im Darm. Der wird so lange aus den zwei möglichen Richtungen geflutet, bis alle Gifte restlos rausgespült sind. Nach dieser kräftezehrenden Reinigungsprozedur wurden wir zitternden und ausgehungerten Mitteleuropäer wieder häppchenweise aufgepäppelt, mit einer Kost, die – wenn ich das richtig verstanden haben – die im Körper vorhandenen Energieverteilungsorganisationsgrundlagen wieder aufs richtige Gleis setzt und manchmal sogar schmeckt. Dazu Bäder, Stirngüsse mit warmem Sesamöl und vierhändige Entschlackungsmassagen; all das war einzigartig wohltuend. Zuletzt wurden wir noch zwei Tage im Sand vergraben – zur Reststressbekämpfung hieß es. Eine einfache, aber fundamental wirkungsvolle Maßnahme. Man wird entweder verrückt oder sorgenfrei. Wir entschieden uns für das Zweite und fühlten uns anschließend wie neugeboren. Allerdings nur kurz, denn leider war des Gurus Heilstätte zu nahe an einer Zinkverarbeitungsstätte gelegen und wir erfuhren bei einer zufälligen Routineuntersuchung, dass wir kontaminiert waren, mit Zink- und Bleiwerten über unserem Vorstellungsvermögen. Wir brauchten mehrere Fachärzte, um wieder mal anstandslos durch die Sicherheitskontrollen auf dem Flughafen zu kommen. Nichts gegen Ayurveda, aber seitdem ist das Thema Wellness aus meinem Kopf so gut wie weggepeelt.
ER Wellness
Als ich begann, mich mit diesem Thema zu befassen, dachte ich, das müsste alle interessieren. So ist es offenbar nicht. Wellness ist etwas für Frauen und metrosexuelle, also mental angefraute Männer. Seit den Fünfzigerjahren steht es in den USA als Oberbegriff einer Gesundheitsbewegung, nachdem es bei uns angelangt ist, steht es für eine Abzocke ganz großen Stils. Die Branche setzt geschätzte 73 Milliarden Euro jährlich um. Es gibt Wellnesswurst, Wellnessbrötchen, diesen Menschen gehört eine Tracht Wellnessprügel verabreicht, aber mit Anlauf, und das würden sie dann begeistert als noch eine weitere Art des Wellnesstreatments aufgreifen und es für 90 Euro in einem der zahllosen Wellnesskataloge anbieten. Wenn man sich ein wenig ins Vokabular eingelesen hat, fällt einem Shakespeare ein: Viel Lärm um nichts. Für Werbefuzzis ist der ganze Zinnober natürlich das reinste Kinderparadies, da können sie richtig auf die Kacke hauen. Schauen wir mal:
Wofür würden Sie – gefühlsmäßig – lieber Ihre sauer verdienten Öcken verbrennen, für sommerliche Kuscheltage, einen zitrusfrischen Wellness-Quickie, Schnupper-Relaxen oder »Wie neugeboren im Schloss«? Jetzt fragen Sie mit Recht, was verbirgt sich hinter diesen vollmundigen Angeboten, die man so ähnlich auch in einem Katalog für sexuelle Dienstleistungen finden könnte? Ja, wenn es das mal wäre, wenn der zitrusfrische Wellness-Quickie ein schnelles Nümmerchen wäre, wo man der Dame als Vorspiel ein Zitronensorbet mit einem Schuss Wodka aus dem Nabel nuckeln dürfte, ohnehin für mich der John Wayne unter den Nachspeisen, da könnte man mit mir auch über Geld reden. Oder »wie neugeboren im Schloss«, da stelle
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