Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
ich mir vor, der gestresste Topmanager, der die ganze Woche Leute zusammenscheißt, wird am Wochenende auf einem alten Rittergut, wo das Käuzchen noch selber schreit, von einer postklimakterialen Domina gepampert (kein Druckfehler!), darf sich dann schön einsauen und kriegt zur Strafe den Hintern voll, auf Wunsch auch vom ungeschlachten Stallburschen persönlich, aber hallo. Nicht mein Ding, aber für den entsprechend gepolten Kundenkreis sicher ein Knaller. Für den Wellnesskunden verbirgt sich hinter all dem Gesäusel immer das Gleiche, Hotelübernachtung, Pool und Saunabenutzung und irgendeine sogenannte Anwendung, günstigstenfalls werden sie von kundigen Händen massiert, dafür muss man aber nicht wegfahren, meist jedoch werden Sie, um den bestürzenden Preis zu rechtfertigen, mit irgendwas beschmiert und es gibt wirklich keine verstreichbare künstliche oder natürliche Emulsion, die vor diesen Leuten sicher wäre.
Da hätten wir einmal die Hot Chocolate Massage. Ich zitiere wörtlich, damit die sprachlichen Feinheiten nicht verloren gehen: Wohlriechende, zarte Düfte umschmeicheln Sie während Ihrer Hot Chocolate Massage. Der wohlriechende Duft wäre meinem Deutschlehrer als Tautologie oder Pleonasmus wohl sehr übel riechend aufgestoßen, aber weiter: »Sie werden mit Kakaobutter massiert. Das Edelste aller Pflanzenfette hat seinen Schmelzpunkt bei 38° Celsius, was auch der eigenen Körpertemperatur entspricht.« Das edelste aller Pflanzenfette wollen wir zunächst mal klein schreiben, und dann ist wohl nicht die eigene Körpertemperatur, das wäre ja die des Fettes, nun hat das Fett aber keinen Körper, sondern die menschliche Körpertemperatur ist gemeint, und die sollte mal schön bei höchstens 37° Celsius liegen, sonst hat der eigene Körper nämlich Fieber. Aber weiter im Text: »Die beruhigende Stimulanz der Schokolade überträgt sich auf Ihre Haut.« So was nennt der Germanist Contradictio in adjecto, Widerspruch im Beiwort, denn Stimulanz bedeutet immer noch Anreiz, Antrieb und hat mit Beruhigung nichts am Hut. »Einzigartig ist das Erlebnis der warmen Ströme des stimulierenden und sanften Verteilens. Unter den massierenden Händen entsteht ein emotionales und optisches Kunstwerk: die Schokoladenseite ihrer Haut.« Was der Dichter uns damit sagen will, wird er wohl als Geheimnis mit ins Grab nehmen, aber sprachlich fühle ich mich sehr in der Nähe dieser lustigen Betriebsanleitungen für elektronische Geräte aus fernöstlicher Fertigung, man erzielt denselben Effekt, wenn man sich bei Google eine englische Seite auf Deutsch übersetzen lässt. Also wenn die Leute so massieren, wie sie formulieren, kann ich nur abraten. Die Wellnesser können aber auch noch einen Zacken schärfer. O-Ton: Bei ihrer exklusiven Goldmassage in Berlin handelt es sich um eine Chi-Yang-Massage, die traditionelles chinesisches Wissen mit westlicher Kosmetik verbindet. Ihr Luxus-Erlebnis wird mit einem Glas Prosecco (es kommt also auch noch italienische Winzerkunst dazu!) und einem kurzen Vorgespräch eröffnet. Danach wird hochwertiges Öl, mit Inhaltsstoffen aus 22-karätigem Gold, Ihren Körper verwöhnen. Die Zeichensetzung lassen wir jetzt mal außen vor, und dass ein Erlebnis eröffnet wird, kommt auch nicht alle Tage vor, aber wie das Öl mich verwöhnen will, so ohne fremde Hilfe, das beginnt mich doch fast zu interessieren. Selbstverständlich können Sie sich auch Honig auf den Balg schmieren lassen, oder Sie machen Aqua-Wellness, das geht so: Ein Therapeut trägt den Kunden (Patienten) durch cirka 35°–38° warmes Wasser. Das ist ja praktisch, da würde auch die Kakaobutter wieder von einem abschmelzen! Entschuldigung, weiter: Durch das getragen werden entsteht ein völliges loslassen, offenbar auch von der Groß- und Kleinschreibung. Hierauf baut sich Ur-Vertrauen und Geborgenheit auf. Bauen sich auf, aber o. k. Der Geist macht eine Reise zu neuen Bewusstseinsdimensionen. Offenbar ist der Schreiber schon öfter durchs Wasser getragen worden.
Ich würde Ihnen noch sehr gerne die Aromagrotte ans Herz legen, nicht nur, weil ich beim Lesen des Wortes auf der Stelle von lustigen Assoziationen heimgesucht wurde, sondern weil die Unverfrorenheit des ganzen Unterfangens recht deutlich wird: Die Aromagrotte bezeichnet eine Dampfbad-Art mit warm-feuchtem Klima bei einer Temperatur von 45°. Der Raum ist mit Kräuterdämpfen gefüllt und fördert die Durchblutung, baut Stress ab und löst Muskelverspannungen.
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