Noch weniger Sex und ich wäre ein Pandabär - die Desaster eines verhinderten Frauenverstehers
Arbeit, bevor ich morgens aufstand, und kam erst nach neun Uhr abends wieder. Und das sechs Tage die Woche. Nur sonntags hatte er frei, doch selbst dann fuhr er nicht selten ins Büro. Trotzdem: egal wie spät er abends zur Tür hereinkam oder wie müde er war, immer schnappte er sich mein Lieblingsbuch, J. R. R. Tolkiens Der kleine Hobbit, aus dem Regal und rief mich ins Wohnzimmer, machte die Stehlampe an, setzte sich zu mir auf das braune Stoffsofa und las mir vor, oder ich las ihm vor. Immer wenn ich auf ein mir unbekanntes Wort stieß, fragte ich ihn, was es bedeutete. Als ich ihm eines Abends vorlas, fing er plötzlich an zu lachen.
»Es könnte daran liegen, dass ich todmüde bin, aber weißt du, was mir gerade klar geworden ist?«, fragte er.
»Nein. Was denn?«
»In diesen Hobbit-Büchern wird nie gevögelt. Das Ding schildert Bilbos Leben von der Wiege bis zur Bahre, aber der Bursche geht nie mit einer kleinen Hobbitfrau ins Bett. Kein einziges Mal. Kein Sex«, sagte er.
»Bilbo hat ja auch keine Kinder«, wandte ich ein.
»Was hat denn das damit zu tun?«, fragte er.
»Na ja, wenn er Sex hätte, müsste er doch auch Kinder haben.«
Mein Vater lachte lang und herzhaft.
»Um Himmels willen. Das wäre ja noch schöner. Dann hätte ich im Alleingang ganz Rhode Island bevölkern können.«
Ich verstand nicht, worüber mein Vater lachte, und war beleidigt, weil er sich über mich lustig machte.
»Man heiratet, und dann, wenn man will, hat man Sex und kriegt Kinder«, beharrte ich.
»Wenn man will? Ha. Wehe, du erzählst das deiner Mutter, dann lässt sie mich am Ende überhaupt nicht mehr ran. Ich glaube, du hast nicht den leisesten Schimmer, was Ehe bedeutet«, sagte er und lachte schon wieder.
»Und ob ich das weiß. Das Wort haben wir schon in der ersten Klasse gelernt. Ich weiß schon lange, was es bedeutet«, protestierte ich.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass du nicht den Hauch einer Ahnung hast, glaub mir«, erwiderte er.
»Gut. Dann erklär mir, was es heißt«, verlangte ich.
»Junge, ich habe fünfzehn Stunden harter Arbeit hinter mir, und ich bin hundemüde, und du hast noch kein einziges Härchen am Sack. Ich glaube, dieses Gespräch kann warten, bis sich eins dieser drei Dinge geändert hat.«
Als ich am nächsten Tag in der Schulcafeteria saß und mein Mittagessen auspackte, erzählte ich meinem besten Freund Aaron, was mein Vater über Sex und die Ehe gesagt hatte, und fragte ihn, was er darüber wisse. Aaron war ein dürres Kerlchen mit strubbeligem braunen Haar und blässlichem Teint und wohnte ein paar Straßen weiter. Außerdem hatte er HBO , was ihn in meinen Augen automatisch zu einem Experten in Geschlechtsdingen machte. Er legte seine Cheetos beiseite und wischte sich die Hände an seinem Basketballtrikot ab.
»Wie, das weißt du nicht?«, sagte Aaron. »In der Hochzeitsnacht müssen Mann und Frau Sex haben, sonst gelten sie nicht als verheiratet. Mit Babys hat das nichts zu tun«, setzte er hinzu.
»Dass es nur gilt, wenn man Sex hat, wusste ich schon«, log ich.
»Erst muss er die Frau küssen, dann nimmt sie seinen Puller und steckt ihn sich rein, und dann haben sie Sex«, sagte er.
»Sieht sie dabei seinen Puller?«, fragte ich und spürte, wie Panik in mir aufstieg.
»Nein. Sie greift ihm zwischen die Beine und fasst ihn an, aber angucken darf sie ihn sich bloß, wenn er es ihr erlaubt«, antwortete Aaron.
Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass mein Dad des Öfteren splitternackt durchs Haus stolzierte wie ein Playboy- Playmate durch Hugh Hefners Villa, oder ob ich mich bloß meines Körpers schämte, aber nichts verabscheute ich so sehr wie die Vorstellung, dass mich jemand nackt sah. Weder aufgeschürfte Knie. Noch den Stuhlgang auf einer öffentlichen Toilette. Nichts.
Normalerweise wandte ich mich an meine Brüder, wenn ich etwas wissen wollte, und obwohl sie mir fast immer alberne Antworten gaben, um mich als Trottel hinzustellen, ließ ich mich davon nicht beirren. Eines Sonntagmorgens beim Frühstück fragte ich sie nach dem Ritual der Hochzeitsnacht. Mein Bruder Dan, der sehr wohl wusste, dass ich mit Nacktheit so meine Probleme hatte, meldete sich als Erster zu Wort.
»Das ist noch längst nicht alles«, sagte er. »Im Prinzip stellst du dich in die eine Ecke des Zimmers und sie sich in die andere. Dann zieht ihr ein Kleidungsstück nach dem anderen aus. Hose und Unterhose zuerst«, sagte er.
»Vor Schuhen und Socken?«
»Ja. Du hast noch immer
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