Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Schmerz vertiefte sich. Ihr Blick huschte zu Nocona. En t spannt saß er auf Cetans Rücken, mit locker hängenden Armen und halb geschlossenen Augen.
Huka brach in Tränen aus. „Möge der Große Geist stets über euch wachen, jetzt, wo wir es nicht mehr können.“
„Die Tage bis zu unserem Wiedersehen werden schnell vergehen.“ Naduah umarmte ihre Eltern vom Pferd aus und sprach sich innerlich Mut zu. Die Trennung war nicht von langer Dauer. Das nächste Fest würde noch vor dem Sommer ausgerufen werden.
Hukas Weinen wurde ihr vom Wind hinterhergetragen, als sie Seite an Seite mit Nocona aus dem Dorf ritt, doch bald ging es im vie l stimmigen Trällern und Singen des Abschieds unter. Mehr Quohadis kehrten in ihr Sommerlager zurück, als am Anfang des Winters hierhe r gekommen waren. Achtzehn Kinder waren in diesem Winter geboren worden, zehn Menschen waren in die andere Welt gegangen. Jeder nahm Erinnerungen und neu geknüpfte Bi n dungen mit sich.
Nocona warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu . Die Adlerfedern in seinem offen he r abfallendem Haar tanzten im Wind, der Schmuck aus Fransen und kleinen weißen Schneckenhäusern, der sich um seine Obe r arme schlang, klickte hauchfein und begleitete das helle Singen der Me s singk e gel, die seine Beinlinge schmückten.
Sie rekelte sich zufrieden. Ihre Hand streichelte über die sanfte Wö l bung ihres Bauches, was ihr Mann aus leuchtenden Augen ve r folgte.
„Bist du glücklich, mein Blauauge?“ , fragte er. „Bist du glücklich mit deinem Leben und mit mir?“
Naduah stutzte. Sie war der Meinung gewesen, ihr Glück müsse nach außen strömen wie ein Feuer in dunkler Nacht. „Mehr als du dir vorste l len kannst. Siehst du es nicht?“
„Komm, mein Blauauge.“ Er ging nicht weiter auf ihre Frage ein. „Lass uns vorausreiten.“
Mit wildem Schrei preschte er los , trieb Cetan durch den Fluss und wurde in eine glitzernde Kaskade aus Wasser gehüllt. Noch bevor er das andere Ufer erreicht hatte, war Naduah wieder an seiner Seite.
Ausgelassen stürmten sie übers Land , berauscht von Frühlingsgefü h len, und sie ritten so lange, bis die Sonne hoch über ihnen stand und der Schweiß ihre Körper von Kopf bis Fuß tränkte .
„Komm!“ Nocona lenkte Cetan den Hang hinunter, hin zum verfü h rerisch glitzernden Fluss. „Ich brauche Abkühlung.“
Naduah folgte ihm, wartete jedoch nicht, bis sie das Ufer erreicht ha t ten, sondern stürzte sich mitten im Galopp auf Nocona und warf ihn vom Pferd. Unsanft landeten sie im Gras, mit Armen und Beinen inein ander verkeilt. Atemlos wälzten sie sich hin und her, kicherten und lac h ten, küssten sich und leckten sich den Schweiß von der Haut.
Erst ein gebrülltes „Nein!“ ließ sie auffahren. Blitzschnell hatte Noco na sein Messer gezogen, war aufgesprungen und erstarrte in kampfbere i ter Pose.
Drei Reiter tauchten am oberen Rand der Schlucht auf und jagten t o desmutig in die Tiefe, wobei sie einen Vierten vor sich hertrieben, der offenbar wenig Lust auf Abenteuer verspürte. Losgelöste Steine scheuc h ten einen Schwarm Vögel auf. Das vorausreitende Mädchen, kaum älter als zehn Jahre, johlte wie am Spieß, während ihr Pony den Abhang hinunterschlitterte. Ihr langes Haa r flatterte im Wind.
„Das sind nur Kinder.“ Naduah legte ihre Hand vorsichtig auf seine Schulter. Die Muskeln unter ihren Fingern waren hart wie Stein. „Es ist alles in Ordnung. Komm wieder zurück. Komm zu mir.“
Noconas Blick ging ins Leere. Die Momente, in denen sich die Kälte seines Blicks langsam legte und er nicht mehr den Eindruck erweckte, blindwütig töten zu wollen, währten eine Ewigkeit.
„Es tut mir leid.“ Beschämt wich er ihrem Blick aus. „Ich dachte, es wäre vorbei.“
Kopfschüttelnd wandte er sich ab und ging hinunter zum Fluss. Naduah wusste, dass sie ihn gewähren lassen musste, also warf sie ihre Moka s sins ins Gras und watete in einiger Entfernung zu ihm ins Wasser. Geduld war das Beste, auch wenn sie wehtat . Ihm nicht helfen zu kö n nen, den dunklen Keim in seinem Inneren nicht mit behutsamen Berü h rungen herausnehmen zu können, war bitter, aber sie musste es akzepti e ren. Langsam watete sie weiter, bis neben ihrem Fuß etwas Helles au f blitzte. Gelbe Fluss s teine. Oder Gold, wie man es in der anderen Welt nannte.
Sie bückte sich und hob das größte Nugget auf. Sein Durchmesser en t sprach etwa dem eines Taubeneis. Wie viel mochte di e ser Stein in ihrer alten Welt wert
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