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Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Titel: Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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eines Vogels. Stocksteif wandte er sich um. „Schwester! Da draußen sind Indianer!“
    Alles um sie herum wurde still. Kalte Angst sickerte in ihren Magen, floss in die Knie und gab ihr das Gefühl, sie würde zerschmelzen. Da! Jetzt sah sie es auch. Pferde ohne Sattel und Zaumzeug, die draußen durch die Dunkelheit huschten. Mit grauenvoll aussehenden Kreaturen auf ihren Rücken.
    Sie wollte nach ihren Eltern rufen, als ein Klirren die Stille zerriss. Zwei brennende Fackeln durchschlugen das Fenster, landeten auf dem Fu ß boden und rollten Funken sprühend durch die Küche. Ein unmenschl i cher Schrei zerfetzte Cynthias Ohren. Schatten rasten am Küchenfenster vorbei. Pferdehufen trommelten auf den Boden.
    John warf sich in ihre Arme. Sein kleiner Körper zitterte, seine Finger krallten sich in ihr Kleid. Sie nahm allen Mut zusammen und schrie den Namen ihrer Mutter. Zweimal. Dreimal. So laut sie konnte. Und plöt z lich war sie da. Zusammen mit Vater.
    „Unter den Tisch!“
    Er riss das Gewehr aus der Halterung an der Wand, rannte zum ze r störten Fenster und legte an. Wieder erklang dieser furchtbare Laut, schrill und hasserfüllt. War das der berüchtigte Kriegsschrei dieser Te u fel? Jener Laut, der für viele Siedler das Letzte gewesen war, was sie g e hört hatten? Er kam geradewegs aus der Hölle. Lieber Gott , betete sie. Lieber Gott, lass nicht zu, dass sie uns umbringen. Es tut mir leid, dass ich weglaufen wollte. Ich darf meinen Vater nicht hassen. Ich darf mein Leben nicht hassen. Es tut mir leid. Bitte verzeih mir. Ich bete auch j e den Morgen und jeden Abend. Ich werde immerzu beten.
    „Ich sagte, ihr sollt euch verstecken!“ Vaters Stimme war kein Bru m men, kein Knurren, kein Fauchen. Sie war ein Kreischen. „Jetzt macht schon! Habt ihr nicht gehört?“
    Cynthia zog ihren Bruder unter den Tisch und hielt ihn umklammert. Was, wenn man ihm wehtat? Was, wenn die Indianer in ihr Haus ko m men und ihn ihr wegnehmen würden? Sie würde es nicht ertragen. Sie war doch seine große Schwester und musste ihn beschützen.
    Ein Schuss krachte. Etwas polterte auf das Dach. Von ihrem Versteck aus sah Cynthia die Röcke von Mutter und Elenore. Wieder krachte ein Schuss aus Vaters Gewehr, unmittelbar gefolgt von einem weiteren. John krallte sich derart an ihr fest, dass sie vor Schmerzen stöhnte. Ihr Blick heftete sich auf den Rock ihrer Großmutter, studierte das Blumenmuster über grünen und schwarzen Streifen und die Schatten zwischen den Falten.
    „Räudige Ratten! Ihr bekommt meine Familie nicht!“
    Wieder das Donnern eines Schusses. Vaters Gesicht sagte ihr, dass die Indianer nicht gekommen waren, um ihnen Angst einzujagen. Sie wol l ten töten. Frauen, Kinder, Männer. Alle, die hier lebten.
    „Das Dach!“ , kreischte Mutter. „Es brennt!“
    Binnen zweier Atemzüge verwandelte sich das Knistern von ausg e trocknetem, lichterloh brennendem Holz in das heisere Brüllen eines Tieres. Konnte Feuer solche Töne von sich geben? Es klang lebendig. Wie ein Monster. Hier drinnen würden sie verbrennen und draußen warteten die Rothäute darauf, sie zu skalpieren und entzweizuhacken . Gott musste schrecklich wütend sein. Sie hatte alles falsch gemacht und nicht genug gebetet, sonst hätte er sie alle b e schützt.
    Von draußen erklangen Schreie, doch waren es keine Kriegsrufe, so n dern die Laute unerträglichen Schmerzes. Eine Erkenntnis sickerte wie Eis in ihren Magen. Sie durchdrang ihren Verstand und löste ein solches Entsetzen aus, dass für Momente alles fern wirkte. Ihr Leben war ve r wirkt. Man würde sie alle töten. Es war zu Ende.
    Die Dunkelheit vor dem Fenster brüllte. Flackernde Schatten aus Orange, Gelb und Rot tanzten umher wie Dämonen. Fliehende, Ste r bende, von Pfeilen Durchbohrte. Das Fort brannte. Ihr Haus brannte. Und sie war schuld daran.
    „Raus!“ , schrie Vater. „Wir müssen … “
    Ein ohrenbetäubendes Krachen erklang. Funken regneten von der Decke herab. Kaum war Cynthia klar geworden, dass das Dach einstür z te, traf den Tisch ein mächtiger Schlag. Großmutter schrie. Der Schrei wurde zu einem Gurgeln. Lodernde Balken stürzten zu Boden und steckten die Dielen in Brand. Der heiße Sommer hatte das Haus au s trocknen lassen. Es war, als hätte das Holz nur auf das Feuer gewartet. Gierig verschlangen die Flammen alles, womit sie in Berührung kamen.
    Was sollte sie tun? Wo war Mutter? Wo Vater? Die kochend heiße Luft sah aus wie flimmerndes Wasser. Ehe Cynthia

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