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Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Titel: Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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seinen Augen lag nichts als Freundlichkeit. Ein ungewohnter Anblick. Im Fort war jeder mit dem Überleben beschäftigt gewesen. Waren die Zeiten schlecht gewesen, hatte man Krieg gegen jeden geführt, der mehr besaß als man selbst. Waren die Zeiten gut, stritten sich die Menschen dennoch, erm ü det vom nie endenden Kampf ums Überleben.
    „Ma K ȟ ahin “ , wiederholte sie die unbekannten Worte, und der Klang der wilden Sprache prickelte auf ihrer Zunge.
    Die Muskeln des Tieres spannten sich an, sein Körper bebte vor Err e gung, bereit, jeden Augenblick loszupreschen.
    „Iyapo!“
    Der Mann stieß einen trällernden Schrei aus, und plötzlich, so schnell , wie ein Falke aus dem Himmel herabstürzte, galoppierte der Mustang los. Ihr entfloh ein Schrei der Freude. Als sie den Wind spürte, der an ihr zerrte, als die Mähne des Pferdes sie umflatterte und die grasbewachs e nen Hügel an ihr vorbeirasten, vergaß sie allen Schmerz. Es gab nur noch die Sonne, die Prärie und das dahinjagende Pferd. So gern hätte sie die Arme ausgestreckt, und nach einem kurzen Moment des Zögerns warf sie alle Angst beiseite und tat es einfach. Der Mann würde sie nicht loslassen. Sie vertraute ihm, einem Ungläubigen, einem Heiden … o b wohl es eine Sünde war. Der Wind trocknete ihre Tränen. Nur darum ging es. Und um das Vergessen.
    „Lauf!“ , rief sie. „Lauf!“ Die Welt löste sich in bunte Schatten auf. „Lauf schneller!“
    Sie schloss die Augen. Alle Hässlichkeit der Welt war weit weg.
    Ein Fluss tauchte vor ihnen auf, dunkelgrün vor Hitze und gesäumt von flüsternden Birken. Der Mann lenkte das Pferd eine flache B ö schung hinunter. Hell leuchtete das Laub im flirrenden Sonne n schein. Die weißen Stämme der Bäume malten zusammen mit dem gli t zernden Wasser ein so schönes Bild, dass Cynthia einen ganz neuen Schmerz verspürte. Wenn John und Mutter das hier hätten sehen kö n nen. Dieser Ort war weit weg von Arbeit, Dreck und Angst. Er war vollkommen. Genau das Paradies, auf das sie alle gehofft hatten.
    Ein scharfer Schmerz durchzuckte ihre Füße, als der Mann sie h in unter hob. Die Verbrennungen. Der Beweis für alles, was gesch e hen war. Cynthia biss die Zähne zusammen und gab keinen Laut von sich. Der Mann strich ihr sanft über das Haar. Er nahm die Steine aus ihrer Hand, ließ sie in den Lederbeutel fallen, der an seinem Gürtel hing, und ging vor ihr in die Knie.
    „Waste“, raunte er. „Waste.“
    Seine Behutsamkeit riss etwas in ihr auf. So hatte Mutter sie vor langer Zeit berührt, bevor sie in den Westen aufgebrochen waren. Bilderfluten schossen durch Cynthias Kopf. Die kleine Wohnung in der Stadt, in der sie damals gelebt hatten, den Hafen in Blickweite. Eine verbrannte Le i che mit Blasen werfender Haut. Eine verkrümmt auf dem Boden liege n de Frau. Im Feuerschein feucht glänzende, skalpierte Schädel. Menschen mit Pfeilen im Körper. Ein blutender Junge in ihren Armen und ein totes Pferd.
    Mit einem heiseren Aufschrei ging sie in die Knie. Bleischwere Lasten drückten sie zu Boden. Krämpfe schüttelten ihren Körper. Wie hatte sie nur Freude empfinden können, jetzt, da ihre Familie tot war und ihr Bruder entführt? Silas hatte r echt . Sie war ein vom Teufel verdo r benes Kind und hatte Unglück über das Fort gebracht.
    „Čiksuye shni yelo.“ Der Mann nahm sie in seine Arme.
    Cynthia fühlte sich, als hätte man sie geschlagen. Sie blickte auf, würg te an einem scharfen Kloß in d er Kehle, und noch immer lag diese geduld i ge Freundlichkeit in den Augen des Indianers.
    „Čaze Mit ȟ awa ki Mahto. ” Er legte eine Hand auf seine Brust. „ Nita Č aze ki Taku he? ”
    Cynthia spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Silas hatte es nicht ertr a gen können, wenn seine Tochter weinte oder etwas nicht begriff. Gena u so wenig, wie er es bei Mutter ertragen hatte. Würde der Wilde sie schü t teln und schlagen? Nein, er lächelte nur. In aller Seelenruhe sah er sich um, hob einen Zweig auf und begann, etwas in die Erde zu malen. Ein Bär entstand im feuchten Sand. Groß und aufgerichtet, mit mächtigen Pranken und struppigem Fell.
    „Mahto.” Der Mann deutete zuerst auf das Tier, dann auf sich, wobei er bedeutungsvoll die Arme hob, seine Hände zu Klauen krüm m te und hin und her schwankte. „Mahto.”
    „Du heißt wie der Bär?”, presste sie hervor. „Mahto bedeutet Bär?“
    Er nickte, schien sich aber nicht ganz sicher zu sein. Wieder nahm er den Zweig und zeichnete

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