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Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Titel: Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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graues Flanellhemd und eine weite, schwarze Hose austauschte – nicht zu vergessen drei dicke Socken übereinander – , kam ihm der G e danke, dass Sara diese bessere Bretterhütte grauenvoll finden würde. Sie war eine Geschäftsfrau aus New York. Wie musste ihr da diese K a schemme erscheinen, in der es nicht einmal fließendes Wasser, dafür aber Unmengen an Spinnen gab? Spätestens, wenn er sie hierher einlud, würde sie schreiend davonlaufen. Sei es drum. Eine feine Lady war das Letzte , was er brauchte. Andererseits , so fein konnte sie nicht sein, wenn sie die Sitze seines Wagens nicht moniert hatte. Sara war a n ders. Gar keine Frage. Trotzdem hatte er schlicht und einfach keine Zeit für eine Beziehung.
    Makah zog an seiner Tasse. Vergeblich. Sie war am Tisch festgefroren. Ein zweiter Ruck, und das ramponierte, blau-weiß gepunktete Ding löste sich mit widerspenstigem Knirschen vo m Untergrund. Er bröselte etwas getrocknete Minze hinein, dazu ein wenig Kandis, etwas Zitronensaft und zuletzt kochendes Wasser. Süßer, frischer Duft wehte durch die Hütte. Dem Ausklang des Tages stand nichts mehr im Weg. Mit einem Stoßseufzer fiel er auf das Sofa. Staubwolken wirbelten auf, die ausgele i erten Federn quietschten. Eine Dusche wäre dringend nötig gewesen, doch der Brunnen samt Pumpe war hoffnungslos eingefroren, und nach einem Bad im Schnee stand ihm absolut nicht der Sinn.
    Es gab keine Frau, für die es sich lohnte, die Dreckkrusten abzuspachteln, von daher konnte er das Entkeimen getrost auf morgen früh ve r schieben. Eingewickelt in drei Decken umklammerte er seine Tasse und begutachtete den Bücherstapel, der seit Monaten darauf wa r tete, abgea r beitet zu werden. Heute war er ungewöhnlich früh zu Hause, eine pe r fekte Gelegenheit, sich dieser Aufgabe anzunehmen. Während das Pfeifen des Windes im Dach das vor Wochen kaputtgegangene R a dio durchaus melodisch ersetzte, nahm er das oberste Buch vom Stapel und schlug es auf. Christopher Ride ’ s Die Frequenz .
    Drei Seiten schaffte er mit wachem Verstand, die vierte verschwamm vor seinen Augen. Er nickte ein, zuckte hoch und goss sich fast den Tee über das Hemd. Verdammte Müdigkeit. Für das letzte Buch hatte er dank des Umstands, dass ihn bleierne Erschöpfung übermannte, sobald er eine Ruheposition einnahm, ganz e vier Wochen gebraucht. Makah stellte die Tasse auf dem Boden ab, wo sie vermutlich wieder festfrieren würde, und versuchte sein Glück mit Seite fünf.
    Seite sechs, Seite sieben.
    Die Augen fielen ihm zu, das Buch sackte auf seine Brust. Ein zweites Mal kämpfte er sich hoch, las vier Sätze und driftete erneut weg. Diesmal kippte sein Kopf nach hinten. Der Schlaf riss ihn fort. Unwiderstehlich.
     

Nocona, 1836
     
    N
    ocona erwachte, weil sein Kopf auf die Brust gesackt war. Verwirrt blinzelte er in den ihn umgebenden N e bel hinaus. Zuerst wusste er nicht, wo er war und was er hier tat. Dann, als es ihm wieder einfiel, stieß er ein wütendes Knurren aus. Schon wieder war er eing e schlafen. Schon wieder hatte er versagt.
    Ärgerlich griff er nach der Schale mit dem Kräutersud, trank einige Schlu c ke und versuchte, munter zu werden. Er ging im Kreis um den Ritualplatz herum, atmete tief durch, stieß seine Stirn gegen den Bau m stamm und setzte sich wieder. Das Wetter hatte sich gegen ihn ve r schworen. Während seine Freunde Icabu und Makamnaya bei Sonne n schein und Wärme ihrer Visionssuche nachgegangen waren, herrschte für ihn nur Nebel. Seine Webdecke richtete kaum etwas gegen die klamme Kälte aus. Nocona fror und schämte sich für diese Schwäche. Visionssuchende versetzten sich in einen Zustand, der Hunger, Durst und Kälte auslöschte, doch er sah sich außerstande, dieses Ziel zu erre i chen.
    Zwischen vier mit Seilen umspannten Pecannussbäumen saß er auf seinem Bisonfell und beobachtete die Nebelschwaden, kläglich darum bemüht, seine Gedanken zu reinigen. Bunte Stoffe hingen von den Ä s ten herab. Ein schwarzes Stück für den Norden, ein Rotes für den S ü den, ein Gelbes für den Osten und ein Grünes für den Westen. Kein Wind ging, kein Vogel sang. Er schloss die Augen und versuchte, seinen Geist auf Reisen zu schi c ken. Am Rande des Ritualplatzes hatte man Salbei angepflanzt, dessen Duft sich mit dem Aroma des an den Seilen festgeknüpften Tabaks vereinte und die feuchte Luft schwängerte.
    Im Halbschlaf murmelte er Gebete. Wenn ihm wenigstens ein Vogel erschienen wäre, ein Streifenhörnchen oder

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