Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
was er an t worten sollte.
„Ich werde es versuchen“, sagte er schließlich. „Aber sie ist um vieles stolzer als die anderen Mädchen. Mahto liebt sie sehr. Es wird schwer sein, ihn zufriedenzustellen.“
„Wie viele Pferde würdest du für sie geben?“
„So viele, wie ich auftreiben kann. Vielleicht ist sie auch schon verhe i ratet, wenn wir zurück sind.“
„Oh nein. Sie wird keinen anderen heiraten als dich.“
„Woher willst du das wissen?“
„Ich weiß es, seit du mir von eurer Begegnung am Fluss erzählt hast. Nein, halt. Ich weiß es seit damals, als sie sich hinter einen Busch hockte, um dich zu beobachten. Und dann euer Gespräch vor der Großen Jagd.“ Kehala blickte entrückt in den Himmel hinauf. „Eins weiß ich sicher, Bruder. Sie wird auf dich warten. Obwohl es einige Mädchen geben wird, die ihr Pulver aus Weidenrinde in den Tee m i schen. Weißt du noch letztes Jahr, als Icabus Verehrerin sich so an ihm gerächt hat?“
„Das wird keiner im Dorf je vergessen.“
„Sie muss ihm viel Pulver hineingetan haben. Es klang, als wäre eine ganze Meute tollwütiger Wölfe in seinen Eingeweiden eing e sperrt. Und als der böse Geist aus ihm herausfuhr, war es, als schössen die Kanonen der Weißen mehrere Salven ab. Ich frage mich, wie er g e nug Moos und Blätter zusammenkratzen konnte.“
„Icabu würde dir die Fußsohlen abschneiden, wenn er dich reden h ö ren könnte. Er würde dich mit Honig beschmieren und in ein Ameise n nest setzen. Er würde dich nackt auf ein Stachelschwein werfen.“
„Manche sagen, dass er sogar seine Eingeweide verloren hat und sie anschließend wieder reinstopfen musste.“
„Er hätte seine Verehrerin nicht so behandeln sollen. Vor ihrer Familie nannte er sie eine fette, lüsterne Wachtel.“
„Es wundert mich, dass Icabu überhaupt Verehrerinnen hat.“ Kehala schüttelte sich. „Er sieht aus wie ein verhungertes Wiesel und riecht wie der Hintern eines Grizzlys.“
Nocona lachte. „Aber wenn er trommelt, vergessen das alle Frauen.“
„Was es auch ist, mir ist es egal.“ Vier Gabelantilopen galoppierten mit aufgestellten Schwänzen über die Hügel. Kehala beschattete ihre Augen mit der flachen Hand und blickte ihnen nach. „Ich glaube, es ist gut, dass wir eine Weile fort sind. Icabu wird lange brauchen, um dir zu verze i hen.“
„Ich werde lange brauchen, um ihm zu verzeihen.“
„Wie war die Jagd für ihn? Mit einem Lanzenstich am Hintern lässt es sich nicht gut reiten.“
„Er hat gelitten wie ein räudiger Kojote. Der Hintern tat ihm derm a ßen weh, dass er am laufenden Band fluchte. Und er fluchte noch lauter, als kein einz i ger seiner Pfeile traf. Im Jagdlager habe ich ein Zelt weitab von seinem bezogen, sonst hätte er mich im Schlaf mit Taranteln übe r schü t tet.“
Nocona ließ Cetan die Zügel frei. Schnell wie der Sturmwind jagte das Pferd über die Ebene, streckte sich und flog dahin, bis seine Hufe kaum mehr den Boden berühren. Kehala folgte ihm dichtauf. Aufgelöst im Rausch des Fluges malte er sich aus, wie er mit vielen Pferden vor Naduahs Zelt auftauchte. Wie er Mahto umgarnte und Huka schmeiche l te. Wie er das blauäugige Mädchen umwarb, es neckte und verführte, bis es willig mit unter seine Decke kam. Dann ging er mit Naduah hinaus in die Prärie, suchte sich einen der höchsten Hügel und setzte sich mit ihr in das Gras, um auf den Sonnenaufgang zu warten. Das uralte, wortlose Ritual der Vereinigung .
Noconas Träume malten sich all das aus und gingen noch weiter. Sehr viel weiter. Sie gingen so weit, bis er mit seligem Grinsen darum betete, dass die Zeit schnell verging, damit er die Traumbilder endlich Wahrheit werden lassen konnte.
Makah, 2011
„S
ag was, Makah. Hey, sieh mich an. Was ist passiert?“
Er lag rücklings im Schnee und sah den Himmel über sich. Eine Frau rüttelte mit zunehmender Brutalität an seinen Schultern. Wo war er? Wer war er? Das ist Isabella , vermittelte ihm seine langsam zurückkehrende Erinnerung. Du bist nach einem verdammt anstrengenden Tag vom Pferd gefallen und hast dir wahrscheinlich den Kopf angeschl a gen. Den Kopf, der sowieso seit Stunden durch einen Fleischwolf gedreht wird.
Vom Pferd gefallen? Ach was. Unmöglich. Er fiel niemals vom Pferd.
„Was?“ , brachte er hervor.
„Du standest eine halbe Stunde auf dem Hügel.“ Isabella raufte sich die Haare. Sie sah aus, als würde sie ihn am liebsten schlagen. „Wie eine Bronzefigur von
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