Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
richtete das Essen her, das aus einem dünnen Fladenbrot aus Rohrkolbenmehl und den letzten Streifen Trockenfleisch bestand . So schlecht hatten sie schon lange nicht mehr gegessen, doch der Hunger trieb es in ihre M ä gen. Als sie satt waren und die Nacht auf den Wald herabsank, holte Mahto seine Knochenflöte hervor. Zarte Töne tropften durch die Nacht.
Es gab nichts Schöneres, als hier zu sitzen und diesen Klängen zuz u hören. Und doch nistete sich ein seltsames Gefühl ein.
„Vater?“ , fragte sie irgendwann.
„Ja, mein kleines Feuer?“
„Was glaubst du, was der Tod ist?“
Mahto antwortete nicht sofort, sondern sah eine Weile in den Nach t himmel hinauf. Viel war nicht zu sehen, denn die Kronen der Bäume waren dicht.
„Er ist eine Reinigung. Eine Erneuerung. Du kannst dieses Gleichg e wicht überall spüren. Auf toten Bäumen wachsen neue Schösslinge . Die Knochen der toten Büffel düngen das Gras und lassen Nahrung für all die Tiere wachsen, die nach ihnen über die Ebenen zi e hen. Sieh es nicht als Ende, sondern als Tor in ein neues Leben.“
Sie wickelte eine Franse ihres Jagdhemdes um den Zeigefinger und fragte sich, welcher Sinn hinter allem lag. Hier saß sie, weit entfernt von ihrem Dorf, lernte alles von ihrem Vater, was sie für ihr zukünftiges Leben brauchte, und bewegte sich unaufhaltsam auf den Tod zu. Da war diese namenlose Furcht in ihren Eingeweiden. Etwas wie ein kalter Hauch, eine dunkle Ahnung, deren gespenstische Finger nie aus ihrem Nacken wichen.
„Mach dir keine Sorgen.“ Mahto stand auf und holte seinen kostbar s ten Beutel aus der Hütte. „Wir sind hier , um zu leben, nicht , um uns zu sorgen. Beide haben wir unser Gleichgewicht verloren und müssen es wiederfinden. Sonst werden wir mit jedem Tag mehr krank.“
Behutsam packte er seine Pfeife aus. Seelenruhig rauchte er den mit Kräutern vermischten Tabak, blies weiße Wolken in jede Himmelric h tung und summte Gebete vor sich hin. Naduah s Sorgen strömten dahin wie das Wasser eines Flusses. Es gab nur noch sie und die Nacht. Das Feuer, den Duft des Tabaks, die Rufe der Eulen und Mahtos tröstende N ä he.
Irgendwann, als der Mond durch die Zweige der Zedern leuchtete und Zikaden ihr wehmütiges Lied anstimmten, ging sie in die Hütte, wickelte sich trotz der Schwüle in eine Decke und versuchte, zu schlafen. Mahtos Flötenspiel schenkte ihr Ruhe. Langsam, wie Nebel über die Hügel kriecht, senkte sich das Vergessen über sie. Sie vergaß, dass sie hier war, in den südlichen Wäldern, und sie vergaß ihre Angst. Knisternde Fla m men erfüllten das Tipi ihrer Familie mit warmem Schein, die Luft war geschwängert vom Duft nach Salbei.
„Naduah…“ Eine Stimme durchdrang das Schweigen. „Endlich bist du zurück.“
Ihr Name klang so wunderbar, wenn er ihn aussprach. So verführ e risch und köstlich. Sie blinzelte zu Nocona auf, erfüllt von so viel M ü digkeit, dass selbst das Offenhalten der Augen unendliche Mühe bereit e te. Er stand neben ihr und lächelte. Ein Wolfspelz hing um seine Schu l tern, und während sie zu ihm aufsah, legte er ihn ab. Langsam, unve r hohlen verführend, den Blick auf sie gerichtet. Bronzene Haut schi m merte im Licht der Flammen, spannte sich über seinen Muskeln wie Spinnenseide über einen Kokon und wölbte sich dort, wo die Kugel ihn getroffen hatte, zu einem sternenartigen Muster auf. Offen fiel sein Haar herab. Mitternachtsblau wie Krähenfedern. Sie wollte es auf ihrer nac k ten Haut spüren. Sie wollte es durch ihre Finger gleiten lassen und seinen Duft einatmen.
Langsam löste er den Hüftriemen seines Schurzes. Leise raschelnd fiel das Kleidungsstück zu Boden, gefolgt vom Gürtel und den Mokassins. Vollkommen nackt stand er vor ihr. Sie wagte kaum zu a t men. Beim Großen Geist, war dieser wunderschöne Mann wirklich wegen ihr g e kommen?
Nocona kniete sich neben sie, hob das Fell und kroch darunter. Warm schmiegte sich sein Körper an den ihren. Haut an Haut.
„Bist du wirklich hier?“ Ohne dass sie sich dazu entschieden hatte, le g te sich ihre Hand auf die Narbe des Schusses. Damals hatten sie sich inmitten von Tod und Zerstörung aneinander festgehalten. Wie Liebe n de, die niemals ohne einander sein wollten.
„Ich bin hier.“ Seine Stimme war raunend und weich. „Wir sind jetzt zusammen.“
Zitternd strichen ihre Finger über seine Brust, berührten die schi m mernde Haut, ertasteten seine Schulter, das Schlüsselbein und all die wundervollen
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