Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
Ende. Ausgerechnet jetzt musste er mit dieser Frage kommen …
„Werwölfe, die als Partner leben, sind auf Gedeih und Verderb an das Rudel des Rüden gebunden“, erklärte Dmitri. „Somit besteht jetzt meine wichtigste Aufgabe darin, so lange nach dem Typen zu suchen, bis ihr Tod geklärt ist.“
„Was genau bedeutet das, bis ihr Tod geklärt ist?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte. Es ging ihm einzig und allein darum, die Gerechtigkeit der Werwölfe walten zu lassen, mit Reißzähnen und Klauen.
„Den Täter bezahlen zu lassen.“ Dmitri starrte zornig geradeaus und trank schweigend sein Bier. Ein eindeutiges Zeichen, dass dieses Thema nicht zur Diskussion stand.
Als ich mich wieder hinsetzte, fühlte ich mich so, als würde eine Bluthexe mein Innerstes mit einem Athamen, einem dieser zeremoniellen Dolche, nach außen drehen. Ich hatte einen Diensteid geleistet und geschworen, mich mit allen Mitteln gegen Selbstjustiz und Rachemorde einzusetzen. Auf der anderen Seite stand mir Dmitri jetzt aber irgendwie nah. Wenn er weiter nach Rache für sein Rudel suchte, würde er früher oder später verletzt werden.
Ich wusste nicht genau, ob ich damit umgehen können würde, und dieses Gefühl ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen, der die übermäßig klimatisierte Luft im Mavens geradezu eisig erschienen ließ.
„Dmitri“, sagte ich nach einem langen Moment, „du bist ein smarter Typ, und ich erzähle dir das jetzt nur, weil du es sowieso irgendwann selbst herausfinden würdest.“
Dmitri stellte sein Getränk ab und beugte sich mit sichtbarem Interesse zu mir rüber. Ich biss mir auf die Unterlippe. Einen laufenden Fall mit irgendjemandem zu diskutieren, der nicht bei der Polizei war, bedeutete automatisch die Kündigung. Wenn man darüber hinaus noch Beweise oder Einzelheiten über Verdächtige an Leute außerhalb des Strafverfolgungsapparats weitergab, würde das zusammengetragene Material zwangsläufig nicht für die Verwendung in einem Prozess zugelassen werden. Auf der anderen Seite zweifelte ich stark daran, dass es bei Stephen Duncan überhaupt zu einem Prozess kommen würde. Das Muttersöhnchen würde sich wahrscheinlich mit einem Deal wegen Unzurechnungsfähigkeit retten und mit ein paar Sommerferien in einem Krankenhaus für psychisch kranke Straftäter davonkommen.
„Ich habe jemanden im Auge“, erklärte ich. „Allerdings behauptet er, dass ein Werwolf die Frau getötet hat, mit der er gefunden wurde.“
„Ein Werwolf?“, fragte Dmitri. „Gut, das wird es einfacher machen, ihn zu finden.“
„Warte! Ich bin noch nicht fertig, verdammt noch mal!“, blaffte ich ihn an. Ich ließ meinen Blick über das Publikum des Clubs wandern. Kein Zeichen von Cassandra – zumindest nahm ich nicht an, dass sie unter fünfundzwanzig war und auf ein Make-up des Typs Einen-Tag-alte-Leiche stand.
„An der zweiten Leiche war keinerlei Werwolfgeruch. Und an Lilia hab ich nur ihren eigenen bemerkt. Der Verdächtige ist kein Werwolf, Dmitri, aber er schwört Stein und Bein darauf, dass es ein Werwolf war.“
„Gut. Dann ist er eben ein durchgedrehter Irrer. Das heißt ja nicht, dass er Lilia nicht getötet hat“, meinte Dmitri.
Ich legte meine Hand auf seinen Unterarm. „Du musst mich das machen lassen. Ich bin darauf trainiert. Du aber nicht.“
„Tolles Kunststück. Dann bist du eben ein Cop – was soll’s!“, knurrte mich Dmitri an, sodass ein paar von den Lederriemenfetischisten um uns herum zu uns herüberglotzten. „Eine Polizeimarke – dass ich nicht lache! Du wirst bestimmt nicht das tun, was ein Werwolf tun muss, dessen Rudelpartner von einem Außenstehenden ermordet wurde.“
Das hatte gesessen. Aber schon im nächsten Moment schüttelte ich seinen Kommentar ab und redete mit ruhiger Stimme weiter. „Ich bin kein Mitglied deines Rudels“, erinnerte ich ihn. „Und wenn ich gewusst hätte, dass du dich bei der ganzen Sache so scheiße verhältst, dann hätte ich mich nicht mit dir verabredet, geschweige denn dich gebeten, mir dabei zu helfen, den Freak zu bestrafen, der die beiden Mädchen ermordet hat.“
Dmitri bedeckte sein Gesicht mit einer Hand und atmete tief ein. Die breiten Schultern unter seinem Black-Sabbath-Shirt schienen für einen Moment zu beben, bevor er sich wieder fassen konnte.
„Tut mir leid“, sagte er mit rauer Stimme. „Es ist einfach … ich vermisse sie. Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie das ist, mit einem
Weitere Kostenlose Bücher