Nocturne City 02 - Blutfehde
hast du mit ihr angestellt?“ Anscheinend war Valerie in dem gleichen Zauber gefangen, der auch schon Benny Joubert zum Selbstmord gezwungen hatte, denn auch sie blickte mich mit diesen leeren entrückten Augen an, die nichts Menschliches mehr besaßen.
„Ich? Überhaupt nichts!“, sagte Joshua unschuldig. „Ist dir überhaupt klar, was du da zu implizieren versuchst? Ich verwehre mich aufs Schärfste gegen derartige Anschuldigungen.“
Ich konnte meinen Ohren kaum trauen – implizieren … Der Joshua, den ich damals an einem Lagerfeuer in San Romita kennengelernt hatte, war nicht einmal in der Lage gewesen, einen einfachen Hauptsatz zu bilden.
„Weißt du, Luna, eigentlich hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, dich noch einmal wiederzusehen“, begann er ruhig auf mich einzureden, während er erneut mit bedächtigen Schritten auf mich zukam. Mit konzentriertem Blick fixierte er meine Augen, und ich war wie gebannt von dem gelben Funkeln, das In ihnen brannte, obwohl er nicht mal ansatzweise verwandelt war. „Und jetzt, da ich dir gegenüberstehe, bin ich ziemlich enttäuscht – sehr enttäuscht, um ehrlich zu sein. Die Luna, die ich kannte, wäre niemals zu den Bullen gegangen und hätte im Leben nicht daran gedacht, eine Waffe auf den Mann zu richten, der sie zur Werwölfin gemacht hat und damit ihr rechtmäßiger Partner ist.“
Einen halben Meter vor mir blieb er stehen, ohne den Blickkontakt auch nur eine Sekunde unterbrochen zu haben. Langsam wurden meine Glieder schwerer, und ich konnte fühlen, wie sich meine Gedanken den seinen unterordneten und er mir allmählich seinen Willen aufzwang. Sehr enttäuscht …, rasten seine Worte durch meinen Kopf und stimmten mich urplötzlich traurig. Mit einem Schlag gab es nur noch einen Gedanken: Ich muss die Sache wieder in Ordnung bringen, muss ihm zeigen, dass ich ein würdiges Mitglied seines Rudels bin …
Das SWAT-Team stürmte mit wildem Gebrüll ins Zimmer und rang die Sicherheitsleute im Handumdrehen zu Boden. Ich nahm sie aber nur am Rande wahr, da mich Joshuas Blick noch immer gefangen hielt.
„Gutes Mädchen“, raunte er in einem Ton, in dem man rosafarbene Zwergpudel nach einem gelungenen Kunststück loben würde. „Vielleicht können wir jetzt doch noch das zu Ende bringen, was wir vor so vielen Jahren begonnen haben.“
Im nächsten Moment versuchte er mich anzugreifen, aber ich kam ihm mit einer raschen Bewegung zuvor und packte sein rechtes Handgelenk genau dort, wo sich die Schlangentätowierung befand. Von einem Moment auf den nächsten war das Band zwischen uns zerrissen. Joshuas Wille wurde von einer Welle aus Erinnerungen an die verhängnisvolle Nacht vor fünfzehn Jahren, in der mir Panik und Todesangst die Brust zugeschnürt hatten, aus meinem Kopf gespült.
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er gerade versucht hatte, mich zu dominieren – und gottverdammt, es wäre ihm beinah gelungen. Wütend hob ich die Waffe, zielte links an seinem Ohr vorbei und ließ eine Kugel in die Holzvertäfelung hinter seinem Kopf krachen. Sofort sprangen die Männer des SWAT-Teams brüllend in Deckung und richteten ihre Waffen auf uns, während den mit Handschellen gefesselten Schlägern des Sicherheilsdienstes nichts anderes übrig blieb, als dem Schauspiel mit weit aufgerissenen Mündern zuzusehen.
Ich schaute Joshua erneut in die Augen, und diesmal zerbröselte sein Versuch, mich zu dominieren, unter meinem wuterfüllten Blick zu Staub. „Die nächste Kugel reißt ein Fünf-Zentimeter-Loch in deine Hühnerbrust!“, warnte ich ihn. Er versuchte, meine Drohung mit einem Lächeln abzutun, aber sein zuckender Unterkiefer verriet mir, dass er innerlich kochte. Mit einer müden Geste gab ich einem SWAT-Officer zu verstehen, dass er sich um Joshua kümmern solle.
„Schaffen Sie ihn mir aus den Augen, Officer!“
„Einige Dinge ändern sich nie“, hörte ich ihn sagen, als er in Handschellen gelegt und abgeführt wurde. „Immer noch die hochnäsige kleine Schlampe von früher.“
Erschöpft ließ ich mich auf einer Lederbank nieder, da mich plötzlich das Gewicht der Weste und der Pistole zu erdrücken schien. Auch meine Gliedmaßen fühlten sich an wie Blei. Joshua …, dachte ich und versenkte mein Gesicht in den Händen. Eigentlich hatte ich die ganze Zeit über gehofft, dass er tot, im Knast oder an irgendeinem weit entfernten Ort sei, sodass ich ihm nie wieder über den Weg laufen würde.
„Detective, wir haben ein Problem“,
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