Nocturne City 02 - Blutfehde
Licht- und Soundeffekten überwältigte meine Sinne und verschmolz direkt vor mir zu einem hellen Loch.
Seamus zerrte mich in eine kleine Kammer, die ich erst als Fahrstuhlkabine erkannte, als sie sich nach unten senkte. Nachdem wir eine ganze Weile gefahren waren, hielt der Aufzug schließlich an.
„Raus jetzt!“, kommandierte Seamus.
„Was haben wir denn da?“, rief eine mir wohlbekannte Stimme in scharfem Ton.
„Sie ist wie aus heiterem Himmel in mein Büro geplatzt und hat mich mit Anschuldigungen zu Vincent Blackburns Tod belästigt. Nichts Ernstes, denke ich, aber sie könnte uns Ärger machen“, erklärte Seamus seinem Gesprächspartner. Dann ließ er mein Haar los, und ich sank auf die Knie. „Mach mit ihr, was du willst. Ich habe sie stark betäubt. Selbst wenn sie sich aufrappeln und den Bann brechen sollte, wird sie sich an nichts erinnern können.“
Als Seamus’ Gesprächspartner vor mich trat, sah ich meinem personifizierten Albtraum ins Gesicht – es war Joshua. Er trug einen nagelneuen schwarzen Anzug, der wahrscheinlich mehr gekostet hatte als mein Auto. Bei meinem Anblick stieß er einen vergnügten Pfiff aus. „Oh mein Gott, Seamus, Sie wissen gar nicht, wie sehr ich diesen Job und seine kleinen Vorteile liebe!“
„Ja, ja … Hauptsache, du denkst daran, dass ich heute Abend den Wagen brauche. Punkt sieben“, erwiderte Seamus. Dann fiel hinter mir eine Tür ins Schloss, und wir waren allein.
Nachdenklich strich sich Joshua übers Kinn und musterte mich. „Nun, Luna, jetzt sind nur noch wir beide hier. Kommt dir sicherlich bekannt vor, oder?“
Natürlich kam mir das bekannt vor: Ich bin allein mit ihm in einem Van am Strand. In der Nähe knistert ein verlassenes Lagerfeuer, und außer uns ist niemand da, der meine Schreie hören könnte. Ich schreie trotzdem, als er meinen Körper mit Gewalt auf den Boden presst. Dann hebt die Schlange auf seinem Unterarm den Kopf und bleckt ihre Giftzähne. Und ich schreie weiter. Lauter, immer lauter .:.
Langsam dämmerte mir, dass ich Joshua nun vollkommen ausgeliefert war. Verzweifelt versuchte ich, mich aus dem Bann zu befreien, in dem Seamus mich gefangen hielt, doch es war zwecklos. Es fühlte sich an, als sei ich lebendig in meinem eigenen Körper begraben worden, und mir blieb nichts weiter übrig, als panisch gegen die Sargwände zu trommeln. Als Joshua dann mit einem Finger mein Kinn anhob und mir befahl, aufzustehen, wusste ich bereits, was als Nächstes kommen würde.
In diesem Moment wünschte ich mir, dass ich auf der Stelle sterben und mich ins Nichts flüchten könnte, um nicht das in der Realität erleiden zu müssen, was mir Joshua seit fünfzehn Jahren Nacht für Nacht in meinen Träumen antat. Aber ich starb nicht, sondern stand einfach nur so reglos da wie eine Schaufensterpuppe, während Joshua mir die Pistole abnahm und meine Dienstmarke in den Mülleimer warf.
„Schade eigentlich, dass die Sache mit uns so dermaßen danebengehen musste“, murmelte er. „Du hättest nämlich ein Prachtexemplar von einem Serpent Eye abgegeben. Rücksichtslos und gefährlich – genau so, wie ich es mag.“
Nein. Nein. Nein. Das kann einfach nicht wahr sein!, dachte ich und hoffte verzweifelt darauf, dass mir gleich jemand zu Hilfe kommen würde oder ich Seamus’ Bann brechen konnte.
„Leider muss ich mich jetzt an die Gesetze unseres Rudels halten“, seufzte Joshua und musterte mich noch einmal von Kopf bis Fuß. „Dabei würde ich viel lieber was ganz anderes mit dir anstellen!“ Seine ekelhafte Andeutung ließ mir einen kalten Schauder über den Rücken laufen. Wenn mein Mund nicht durch den Bann versiegelt gewesen wäre, hätte mein Schrei sein Trommelfell zerrissen.
Dann holte Joshua mit der Rechten aus und schlug mir mit voller Kraft mitten ins Gesicht. Unfähig, die Wucht des Schlags abzufangen, fiel ich wie ein menschengroßer Pappaufsteller seitlich gegen die Wand.
„Ich schätze mal, dass du als Insoli keine Ahnung von den Gesetzen der Rudel hast“, fuhr mich Joshua an und ließ seine Fingergelenke knacken. „Aber es sind auch deine Gesetze, Luna, denn faktisch warst du bereits eine von uns, als du mich nach dem Biss verlassen hast. Lange Rede, kurzer Sinn: Du hast mich damals gedemütigt, und jetzt kann ich dich dafür so bestrafen, wie ich es für angemessen halte.“ Kaum hatte er seinen kleinen Vortrag beendet, trat er mir so heftig in den Bauch, dass ich mich vor Schmerzen krümmte und laut
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