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Nocturne City 02 - Blutfehde

Nocturne City 02 - Blutfehde

Titel: Nocturne City 02 - Blutfehde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlin Kittredge
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Seamus ein überaus arroganter und eitler Kerl war, der den Schädel jederzeit anfassen und vorzeigen wollte, versuchte ich mein Glück. Im nächsten Augenblick war das leise Surren eines Elektromotors zu hören, und die obere Platte des Glaskastens wurde wie von Geisterhand zurückgezogen.
    „Hab ich dich, du Mistkerl“, rief ich triumphierend. Dann zerrte ich den mitgebrachten Stoffbeutel aus der Gesäßtasche meiner Hose und stülpte ihn von oben über den Schädel. Er fühlte sich hart an, wie knochiges Holz, und schien trotz seines Alters gut erhalten zu sein. Nachdem ich noch einmal tief Luft geholt hatte, packte ich den Schädel mit beiden Händen und hob ihn vorsichtig aus dem Glaskasten. Unweigerlich musste ich an die Warnungen von Shelby und Sunny denken und wartete förmlich darauf, dass mein waghalsiger Plan so kurz vor dem Ziel durchkreuzt werden würde. Zu meiner Überraschung passierte aber nichts. Kein Alarm, keine Sirene, keine rot blinkenden Warnlichter, keine Falltüren. Seamus O’Hallorans unglaublicher Hochmut war ihm zum Verhängnis geworden. Obwohl er nicht der erste Widersacher war, der mich derart unterschätzt hatte, fühlte ich mich in diesem Moment doch in gewisser Weise beleidigt – Alistair Duncan hatte wenigstens einige ernsthafte Versuche unternommen, mich zu töten.
    Kaum hatte ich den Schädel eingesackt, begann ich fieberhaft über das nächste unüberwindlich scheinende Problem nachzudenken. Ich musste irgendwie wieder aus dem Tower verschwinden, und zwar möglichst schnell. Der Sicherheitsdienst würde sehr bald merken, dass die Vorhut im sechzigsten Stock nicht mehr antwortete und dann die Kavallerie unter Joshuas Leitung hinterherschicken. Da ich keine sonderlich große Lust verspürte, zweimal in einer Woche bewusstlos geprügelt zu

werden, entschied ich mich für die Tür, die laut Aufschrift zum Dach führte.
    Als ich hinaus in die Nacht trat, fegte mir ein heulender Wind um die Ohren, der sofort unter meine Kleidung drang, sodass ich schon nach wenigen Sekunden zu frieren begann. Erschüttert stellte ich fest, dass es auf dem Dach des O’Halloran Tower nur ein trostloses Kiesbett und ein paar rostige Lüftungsabzüge gab, aber nichts, was mir Rettung versprach. Zumindest konnte ich keine Hubschrauber entdecken, die darauf warteten, mich mit meiner Beute in Sicherheit zu bringen.
    Als Provinzei aus San Romita hatte ich noch nie etwas für hohe Gebäude übrig gehabt und fühlte mich in derart luftiger Höhe entsprechend unwohl. Die Tatsache, dass ich ganz Nocturne City überblicken konnte und mich so fühlte, als könnte jeden Moment Bruce Willis um die Ecke stürmen, um eine seiner mörderischen Hochhaus-Szenen für „Stirb langsam 37“ zu drehen, ließ meine Knie noch weicher werden.
    Über mir glitt der Kegel eines Suchscheinwerfers über den Himmel von Waterfront, und in der Ferne konnte ich einen Polizeihelikopter über Cedar Hill kreisen hören. Aus dem schwindelerregenden Abgrund unter mir stieg der Straßenlärm empor. Durch die Schluchten der Großstadt verstärkt, war die Geräuschkulisse so beeindruckend, dass es sich fast so anfühlte, als würde ich mitten auf einer Kreuzung stehen.
    Der einzige Weg von diesem Dach schien eine kleine und alles andere als vertrauenerweckende Leiter zu sein, die über die Dachkante hinweg in die Tiefe führte. Ich riskierte einen Blick hinunter und bestaunte ehrfurchtsvoll die glatte Oberfläche des Towers, die bis auf wenige erleuchtete Bürofenster vollkommen im Dunkeln lag. Neben der Leiter verlief eine dünne Stange nach unten, und zehn Meter unter der Dachkante bemerkte ich einen Sims, der allerdings nicht viel breiter war als mein Fuß.

Anscheinend handelte es sich um eine Art Sicherungsstange, an der Fensterputzer oder Bauarbeiter bei Arbeiten an der Fassade die Haken ihrer Gurtsysteme befestigten.
    Nicht allzu weit von der Kante entfernt stand ein kleiner Baucontainer, in dem ich Ausrüstungsgegenstände für die Außenarbeiten vermutete. Die Tür war mit einem Vorhängeschloss gesichert, das aber nach einigen beherzten Tritten nachgab. In dem Container fand ich neben ein paar alten Bauarbeiterhelmen tatsächlich die erhofften Sicherungsgurte.
    Ohne zu wissen, was ich da eigentlich tat, legte ich eines der orangefarbenen Gurtsysteme an und befestigte den Beutel mit dem Schädel an den Nylonbändern, um die Hände für meine waghalsige Kletteraktion frei zu haben. Auf einen Helm verzichtete ich, da er mir bei einem

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