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Nocturne City 02 - Blutfehde

Nocturne City 02 - Blutfehde

Titel: Nocturne City 02 - Blutfehde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlin Kittredge
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ihrer Augen hatte ich noch nie zuvor so intensiv wahrgenommen. Sie wollten so gar nicht zu meiner Erinnerung an ihr Gesicht passen. Als ich dann aber die feinen Äderchen sah, die sich wegen der Aufregung auf ihrer Porzellanhaut abzeichneten, war ich mir sicher, dass es niemand anders sein konnte.
    Ich atmete tief durch und versuchte ihr zu sagen, dass alles okay war, aber mein Körper war noch nicht so weit. Statt verständlicher Worte produzierte ich nur ein paar erbärmliche Röchellaute.
    Einen Augenblick später setzte schlagartig mein Geruchssinn wieder ein. Ich musste heftig schlucken, als mir neben dem markanten Gestank von Allzweckreiniger auch der Duft von frischen Tomaten, geriebenem Knoblauch und zerstampftem Tofu in die Nase kroch.
    „Macht hier gerade jemand vegetarische Lasagne?“, krächzte ich.
    „Ich … äh … ich meine, wir haben gestern Abend Lasagne gegessen“, stotterte Sunny aufgeregt. „Was zum Teufel ist eigentlich passiert? Ich hab nur einen lauten Knall gehört, und als ich reingekommen bin, lagst du schon völlig verkrampft am Boden!“
    Obwohl ich wusste, dass Sunny mich nicht anschrie, schmerzte ihre Stimme. Meine Ohren waren mit einem Mal so empfindlich, dass ich sogar hören konnte, wie ein Nagetier unter dem Fußboden an der Isolierung knabberte. Selbst das pulsierende Geräusch in Sunnys Adern konnte ich wahrnehmen – und was noch viel unheimlicher war: Ich konnte ihr Blut durch ihre Haut hindurch sehen!
    Auch meine Nase war plötzlich extrem sensibel. Der muffige Schimmelgeruch der alten Wände, das Essen der letzten Tage, der leichte Seifenduft aus dem Bad, die salzige Brise vom Meer … unendlich viele Gerücheströmten auf einmal auf mich ein und raubten mir fast den Verstand. Dann überkam mich das Gefühl, mit geschlossenen Augen durch die einzelnen Räume des Hauses navigieren und allein dank der Kraft meiner Gedanken problemlos alle Details erfassen zu können.
    Es schien fast so, als würden sämtliche Fähigkeiten, die ich der Werwolf-DNA in meinem Körper zu verdanken hatte, plötzlich um ein Vielfaches potenziert sein. Auch meine Selbstheilungskräfte waren davon betroffen: Nach einigen Sekunden schienen alle Schmerzen wie weggeblasen, die Blessuren, die mir Joshua beigebracht hatte, lange vergessen.
    „Ich sag das wirklich nicht oft, Luna, aber du jagst mir gerade eine Heidenangst ein“, flüsterte Sunny. „Ich glaub, ich werd lieber Rhoda holen.“
    Ich kam nicht dazu, Einspruch zu erheben, da es mir immer noch schwerfiel zu sprechen. Nachdem Sunny aus dem Zimmer gestürmt war, kroch mir der stinkende Qualm verbrannten Papiers in die Nase. Sofort fiel mein Blick auf den Papierblock, auf dem ich eben noch die Inschriften des Schädels notiert hatte. Obwohl keine Flamme zu sehen war, kräuselten sich die Ecken der Blätter und verfärbten sich schwarz, während die Schriftzeichen das Papier zu versengen schienen.
    Langsam begann ich Sunnys Ängste zu teilen und hielt es nun doch für eine gute Idee, Rhoda hinzuzuziehen.
    „Ich verstehe nicht, warum du so ein Theater machst“, zeterte unsere Großmutter, als sie mit Sunny ins Zimmer trat. Nachdem sie einen Blick auf mich und die verkohlten Überreste des Notizblocks geworfen hatte, stieß sie ein erstauntes „Oh!“ aus.
    „Was hat das alles zu bedeuten, Rhoda?“, fragte Sunny aufgebracht. „Was ist mit Luna los, ich meine, was stimmt nicht mit ihr?“
    „Ach, Sunny, ich bräuchte Stunden, um dir zu erklären, was alles nicht mit ihr stimmt“, antwortete Rhoda trocken. Unglaublich! Ich lag praktisch im Sterben, und die alte Hexe hatte nichts anderes zu tun, als weiterzuhetzen. Wahrscheinlich würde sie sogar auf meiner Beerdigung makabre Witze über mich reißen.
    „Pass auf, Luna“, flüsterte mir Sunny ins Ohr, während sie sich über mich beugte. „Wir legen dich jetzt erst mal auf die Couch.“ Ich wusste zwar, dass Sunny in vielerlei Hinsicht stärker war, als man es ihr ansah, ich staunte aber trotzdem nicht schlecht, als sie mich aus dem Stand auf das Sofa wuchtete. Erschöpft ließ ich mich in die weiche Polsterung sinken und war einigermaßen froh darüber, mich nicht mehr auf Rhodas verstaubtem Wohnzimmerteppich krümmen zu müssen.
    Mit finsterem Blick hob Rhoda den Notizblock auf. „Du hast versucht, die Zauberformeln abzuschreiben!“, sagte sie vorwurfsvoll. „Warum hast du das getan?“
    „Das ist eine sehr lange Geschichte“, sagte ich stöhnend, denn mein Körper fühlte sich

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