Nocturne City 02 - Blutfehde
tatsächlich ausrasten und auf mich einschlagen würde. Urplötzlich setzte er aber ein Grinsen auf, und es schien, als würde sich die Gewitterfront auf seinem Gesicht verziehen. „Mein lieber Scholli!“, stieß er mit donnernder Stimme hervor und klopfte mir dabei auf die Schulter. „Große Klappe, großer Auftritt, was? Sie haben eine ganze Menge Mumm in den Knochen, mein Mädchen. Recht so.“
Als der Fahrstuhl endlich die Lobby erreichte, konnte man Shelby ihre Erleichterung förmlich ansehen. „Gott sei Dank!“, murmelte sie, drängelte sich durch die Traube von Anzugträgern, die vor den Aufzügen warteten, und stiefelte schnurstracks zum Treppenhaus der Parkgarage.
„Nichts für ungut wegen meines Kommentars, Miss Wilder“, sagte Seamus. „Ganz offensichtlich sind Sie eine Frau, die ihren schlauen Kopf fest auf den Schultern trägt und sich niemals von meinem kleinen Trottelbruder einwickeln lassen würde.“
Dann kramte er eine Visitenkarte hervor und schrieb mit einem goldenen Kugelschreiber eine Nummer auf die Rückseite. „Wenn Sie irgendwann mal meine Hilfe benötigen sollten, rufen Sie mich einfach auf meiner Privatnummer an, und ich werde sehen, was ich tun kann.“
„Danke“, sagte ich kurz und stolperte gerade noch rechtzeitig aus dem Fahrstuhl, um nicht von den sich schließenden Türen erfasst zu werden. Meine ganze Schulter glühte. Die flammende Magie, die Seamus beim Schulterklopfen auf mich übertragen hatte, löste einen sonderbaren Schmerz in mir aus. Es bestand kein Zweifel daran, dass er ein unglaublich mächtiger Casterhexer war. Trotz meines äußerlich coolen Auftretens hatte er mir eine Heidenangst eingejagt, und ich wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicher, als endlich aus diesem verdammten Bürogebäude verschwinden zu können.
Auf dem Weg zur Parkgarage lief ich beim Durchqueren der Lobby an einem kleinen Cafe namens Koffe Kart vorbei und kaufte mir einen großen Latte Macchiato. Ganz bewusst verzichtete ich auf meinen geliebten Schuss Haselnussaroma, denn in diesem Moment wollte ich einfach nur wach werden und das unangenehme Gefühl abschütteln, das all die Zauber und Wächtermarkierungen des Gebäudes in meinem Kopf und meinem Bauch verursacht hatten.
Plötzlich klingelte mein Telefon. „Wo steckst du?“, fragte Shelby vorwurfsvoll. „Wir warten an der Parkbucht vierzig auf Ebene eins, okay?“
„Nur die Ruhe, ich komm ja schon. Kannst Patrick sagen, dass Seamus schuld ist. Er musste mir nämlich unbedingt noch seine Privatnummer aufschreiben.“ Kaum hatte ich meinen Satz beendet, begann Shelby mich hysterisch quiekend mit Vorwürfen zu überschütten. Rasch klappte ich mein Handy zu und dachte zufrieden grinsend an das Besetztzeichen in ihrem Ohr und an ihr puterrotes Gesicht. Vielleicht würde es ja doch noch ein ganz akzeptabler Tag werden.
Auf meinem Weg zur Parkgarage zog ich die Ausweiskopie von Benny Joubert aus meiner Jackentasche und rief McAllister an. „Mac, Sie müssen mal einen Typen namens Benny Joubert für mich unter die Lupe nehmen. Ich buchstabiere: J-o-u-b-e-r-t …“
„Moment mal, Wilder! Trage ich etwa einen Minirock und serviere Ihnen jeden Morgen Kaffee und Kuchen?“, blökte Mac verärgert durch die Leitung.
„Nein, aber jetzt, wo Sie es erwähnen, könnt ich’s mir auch ganz gut vorstellen.“
„Arbeiten Sie etwa immer noch an dem Fall mit dem toten Junkie?“, fragte er besorgt. „Morgan heizt mir mächtig ein, dass die Sache endlich abgeschlossen werden soll, damit sie Ihnen andere Aufgaben zuteilen kann.“
„Ach ja? Was schwebt ihr denn davor? Die spannende Welt der Schreibtischarbeit, damit ich meine Fähigkeiten beim Lochen und Abheften perfektionieren kann?“, brummte ich frustriert.
„Immer noch besser, als wenn Sie Ihren Job und ich meinen besten Detective verlieren würde“, sagte Mac mit einem Seufzer. „Ah, hier ist er ja, der gute Joubert. Zwei Verhaftungen und eine Verurteilung wegen Drogenbesitzes mit Handelsabsicht. Anfänglich wurde ihm organisierter Drogenhandel zur Last gelegt, aber anscheinend hat er jemanden verpfiffen und einen Deal mit der Staatsanwaltschaft gemacht. Wirkt für mich wie ein Dealer der mittleren Ebene. Sind Sie da an was dran, Wilder?“
„Kann sein“, murmelte ich und schaute mir dabei noch einmal Jouberts Foto an. „Mich interessiert vor allem, was er ist, und weniger, was er macht.“
„Was bei den sieben Höllen der Verdammnis soll das jetzt schon wieder
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