Nördlich des Weltuntergangs
Winter war dort ein neuer Rekord aufgestellt worden, einunddreißig Meter. Der alte Severi Horttanainen hatte es nicht lassen können und war ebenfalls hinuntergesprungen. Dabei hatte er sich außer seinen Skiern auch den Unterschenkelknochen gebrochen.
»Vorige Woche hat Severi seine Krücken in den See geworfen«, wusste Taina zu berichten, als sie an der Sprungschanze vorbeifuhren.
Gut einen Kilometer weiter kamen sie endlich in das Dorf Sepänkylä. Es lag am Fluss Heinäjoki zwischen weiten Naturwiesen und dichten Wäldern. Diese Gebiete hatte Eemeli seinerzeit für einen Spottpreis vom Gemeinwald Valtimo gekauft. Größerer Einschlag war, zumindest vorläufig, nicht vorgenommen worden. Lediglich ein paar Dutzend Hektar Ackerland wurden gerodet, man hatte zunächst Bäume gefällt und dann die Fläche geschwendet, um anschließend Roggen auszusäen. Dann hatte man die Schwende als Weideplatz benutzt und schließlich umgepflügt. Am Rande der Felder lag das Dorf, zu dem etwa zwanzig Häuser und die Schmiede gehörten, die am Flussufer stand. Von dort klang gleichmäßiges Hämmern herüber, die Somalis schmiedeten Eisen.
Das Ehepaar Toropainen erreichte die Schmiede gegen Mittag. Sie führten das Pferd hinter den Schuppen, wo es schattig war. Ein wütender Spitz kam auf sie zugelaufen und bellte, doch als er die Ankömmlinge erkannte, schämte er sich und lief in die Schmiede, um den Besuch zu melden. In der Tür erschien ein großer schwarzer Mann, doppelt schwarz, denn der Somali war von seiner Arbeit rußig geworden. Seine beiden ebenso schwarzen Gehilfen lugten über seine Schulter.
»Tag, Joose, was hämmerst du denn Schönes?«, fragte Eemeli den Schmied, der mit richtigem Namen Josif Nabulah hieß. Er hatte sich Ende des vergangenen Jahrtausends als Flüchtling nach Finnland verirrt.
»Tag, Taina und Eemel«, grüßte der Schmied.
»Tag, Tag«, sagten auch seine Gesellen.
Der Schmied erzählte, dass er Schlittenkufen fertige. Zum nächsten Winter seien fünfzig Paar bestellt worden. Jetzt, da er die Mähmaschinen und die anderen Sommergeräte instand gesetzt hatte, bliebe ihm Zeit, für den nächsten Winter vorzuarbeiten.
Bessere Schmiede als die Somalis gab es weit und breit nicht, dachte Eemeli bei sich. Schon in ihrem Heimatland waren sie sehr geschickt in der Eisenbearbeitung gewesen. Außerdem machten sie auch Blecharbeiten und beherrschten das Verzinnen. Schöne Formen entstanden unter ihren Händen, und sie beklagten sich nicht über die Hitze an ihrem Arbeitsplatz.
Der Somali führte seine Gäste in die Schmiede, um ihnen die Kufen zu zeigen. Eemeli nahm ein fertiges Exemplar in die Hand und ging damit nach draußen, um es im Sonnenlicht zu betrachten. Er fuhr über die glatten Kanten und prüfte die Festigkeit der Schleife. Obwohl die Kufe handgearbeitet war, war sie gleichmäßig, als wäre sie aus dem Schlund eines Walzwerkes gezogen worden.
»Daheim in Afrika gab es ja keine Schlittenkufen, ich kenne sie erst, seit ich hier bin. Sind sie dafür nicht gut geworden?«, lobte der Schmied seine Arbeit. Eemeli bestätigte es gern.
Dann sprachen sie über die eventuelle Gründung einer Gießerei. Es gab nämlich kaum noch Ersatzteile für die Dreschmaschine oder für andere Landmaschinen. Falls überhaupt noch irgendwo Maschinen hergestellt wurden, hatte niemand das Geld, sie zu kaufen, und Ersatzteile interessierten die Verkäufer nicht mehr, weil noch im vergangenen Jahrtausend das Öl rationiert worden war. So verschlimmerte sich die Situation nach und nach.
Der Somali Josif Nabulah erklärte, dass in einer Gießerei Halbfabrikate hergestellt werden könnten. Er sei bereit, die Anlage zu bauen, wenn mit der Stiftung eine entsprechende Einigung zustande komme. Er habe Leute, die in der Gießerei arbeiten könnten, und er könne auch einige Weiße für diesen Beruf ausbilden.
Sie einigten sich auf einen anständigen Preis: Für die Gießerei sollte der Somali hundert Kilo Wildschweinfleisch und zwei Zentner Weizen bekommen.
Eemeli Toropainen regte außerdem den Bau einer Dampfmaschine an. Es gab im Fluss Ukonjoki einen Damm und eine Turbine, deren Kraft jedoch nur für die Stromerzeugung unmittelbar im Kirchdorf reichte, da sie außerdem noch die Mühle antrieb. Eine Dampfmaschine war also unabdingbar; im Sommer könnte sie die Dreschmaschine und die anderen Landmaschinen antreiben, im dunklen Winter für die Nebendörfer Strom erzeugen.
Der Schmied schätzte, dass er innerhalb eines
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